Gildenhaus Thendara - 7
verabscheuen? Und wenn sie Magdas Freundschaft wegen einer solchen Geringfügigkeit verlieren konnte, war diese Freundschaft dann des Bewahrens wert?
Jaelle hielt endlose Diskussionen mit sich selbst ab, aber ein- oder zweimal, als ihr war, als könne sie beinahe Magdas Gesicht sehen ich werde sie mit Laran erreichen, wenn ich nicht aufpasse -, geriet sie in Panik und versuchte, sich abzuschließen. Heute bereute sie es, nicht auf Rohanas Angebot, nein, ihre Bitte eingegangen zu sein, ihr Laran in einem Türm ausbilden zu lassen. Jetzt war es zu spät. War es zu spät? Und schon wieder brach sie in Tränen aus.
Sie hatte völlig aufgehört, die Kortikator-Bänder zu benutzen. Die Sprachabteilung merkte jedoch nichts davon; täglich machte man ihr dort Komplimente über ihre zunehmende Beherrschung des Terranischen. Eines Abends, als sie in ihre Wohnung kam, fand sie Peter vor, der seine schlammverkrusteten Sachen auszog.
„Nein, küsse mich nicht, Schatz - um Gottes willen, warte, bis ich aus diesem Zeug heraus bin und geduscht habe. Um es unverblümt zu sagen, ich stinke” Jaelle schnüffelte. Es stimmte. Sie vermutete, ihr Geruchssinn war durch den ständigen Aufenthalt in der auf Hygiene bedachten terranischen Zone, wo jeder Fleck sofort weggeputzt wurde und Wegwerfkleidung die Norm war, geschärft worden. Auch Peter wollte sein Hemd und seine Hose gerade in den Abfallbeseitiger werfen, doch dann zog er die Nase kraus, steckte sie in eine Tüte und schob sie in einen Schrank.
„Vielleicht gebe ich das besser zum Reinigen; es sind im Feld getragene Sachen, und ein bißchen Dreck macht sie authentischer”, meinte er mit schiefem Grinsen. „Wie geht’s Junior?” Auf dem Weg zur Dusche klopfte er ihr auf den immer noch flachen Bauch, und dann hörte sie noch etwas des Sinnes, wie schön es sei, zu warmem Wasser und Zivilisation zurückzukehren.
Die Leute aus dem Imperium glauben, Zivilisation und sanitäre Anlagen seien ein und dasselbe. Sie sind neurotisch, was Gerüche und Schmutz angeht, dachte Jaelle. Er hätte mich zumindest küssen können! Gekränkt legte sie sich aufs Bett. Er hatte nicht nach ihr gefragt, nur nach dem Baby. Jaelle war wütend auf sich selbst, daß sie so fühlte. Er war müde, er war eben erst von draußen hereingekommen, und ganz bestimmt war sie zu empfindlich. Aber sollte sie, sobald sie schwanger war, genau wie Rohana nicht mehr sie selbst sein, nur noch ein wandelndes Nest für das blöde Kind? Sie vergrub das Gesicht im Kissen. Nicht eine einzige ehrliche Feder war darin, nur irgendein verdammtes synthetisches Zeug. Jaelle holte tief Atem, und von neuem nahm sie diesen aseptischen, diesen terranischen Geruch wahr. Sie wollte nicht weinen. Sie wollte nicht.
Sie hätte weggehen können. Sie brauchte nicht hierzubleiben. Ein Fußmarsch von einer halben Stunde würde sie ins Gildenhaus bringen. Aber sie hatte ihr Wort gegeben; sie hatte einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, nach dem sie Magdas Stelle im terranischen HQ auszufüllen hatte. Magda hatte ihren Amazonen-Eid unter viel stärkerer Belastung nicht gebrochen. Sie mußte mindestens soviel Mut aufbringen wie Magda. Würde man sie im Gildenhaus überhaupt aufnehmen, wo sie von Tag zu Tag mehr anschwoll, von einem Terraner schwanger wie irgendeine Schlampe aus einer Raumhafenbar? So oft sie versucht hatte, sich einzureden, es sei etwas anderes: Sie hatte Peter gewollt, sie hatte mit ihm schlafen wollen, und nun war ein Kind unterwegs, ein
Kind, das in keiner von beiden Welten zu Hause sein würde. Sie weinte jetzt, sie hörte nicht, daß Peter aus der Dusche kam, und als er sie umarmen wollte, wehrte sie sich und schrie hysterisch, bis er am Ende einen Arzt rufen mußte. Den Rest der Nacht verbrachte Jaelle auf dem HospitalStockwerk in tiefem Betäubungsschlaf. Einen anderen Ort gab es nicht mehr für sie.
Dritter Teil
Hinauswachsen
1. Kapitel
Obwohl Magdas Hausjahr erst vierzig Tage nach Mittsommer endete, gab die Tradition den Novizen am Festtag selbst Freiheit, und schon beim Frühstück hörte Magda die Frauen ihre Pläne besprechen. Ihr und Keitha war gesagt worden, sie durften am Tag und in der darauffolgenden Nacht gehen, wohin sie wollten, nur mußten sie bei Sonnenaufgang wieder im Haus sein.
„Was hast du vor, Keitha?”
„Eine Hebamme kann sich nicht viel vornehmen. Aber bevor Doria nach Neskaya abreiste, bat sie mich, zu Mittsommer ihre Geburtsmutter aufzusuchen. Die Frau will ihre Tochter nicht hier besuchen, Rafi
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