Gildenhaus Thendara - 7
wird dir gesagt haben, daß hier für das nächste halbe Jahr, bis zwei Monde nach dem Mittsommertag, dein einziges Heim sein wird. Während dieser Zeit wirst du in unseren Sitten unterwiesen werden. In Haus und Garten darfst du dich frei bewegen, aber du darfst nicht über die Ummauerung hinaus und nicht auf die Straße gehen, ausgenommen beim Mittsommerfest, wenn alle Vorschriften aufgehoben sind, oder auf den direkten Befehl deiner Eidesmutter oder einer der Gildenmütter hin” Sie lächelte Magda an. „Du hast uns bewiesen, daß du bereit bist, unsern Eid zu ehren, auch wenn du ihn unfreiwillig abgelegt hast. Jetzt wirst du mir versprechen, dich nach dieser Regel zu richten, nicht wahr? Du bist eine erwachsene Frau, kein Kind”
„Ich werde gehorchen”, antwortete Magda, aber sie hielt es für eine trostlose Aussicht, ein halbes Jahr lang, den ganzen langen, bitteren darkovanischen Winter hindurch, eidlich verpflichtet zu sein,
nicht nach draußen zu gehen. Nun, sie hatte es so gewollt; warum sollte sie sich beklagen, weil sie bekam, was sie gewollt hatte?
„Das gilt natürlich nur in den Grenzen des gesunden Menschenverstandes”, fuhr Mutter Lauria fort. „Sollte das Haus in Brand geraten oder irgendeine andere Katastrophe eintreten, was die Götter verhüten mögen, handele nach eigenem Ermessen. Du bist nicht verpflichtet, dein eigenes Denken dem Gehorsam aufzuopfern. Aber draußen würdest du täglich mit Frauen zusammentreffen, deren Verhalten nicht zu imitieren du lernen mußt. Verstehst du das?”
„Ich glaube schon” Man pflegte es Deprogrammierung zu nennen. Auf Darkover wurde von den Frauen ein so bestimmtes Rollenverhalten verlangt, daß es einer Gehirnwäsche gleichkam und ein Wunder zu nennen war, wenn eine es fertigbrachte, zu rebellieren und sich den Entsagenden anzuschließen. Magda erinnerte sich an Jaelles Ausspruch: „Jede Entsagende hat ihre eigene Geschichte, und jede Geschichte ist eine Tragödie” In einer so traditionellen Gesellschaft wie auf Darkover bedurfte es des Mutes der Verzweiflung, um sich loszureißen.
Ich habe gegen meine Heimatwelt und dann auch noch gegen meine Wahlheimatwelt rebelliert… Sie verbannte diesen Gedanken als Selbstmitleid und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf die ältere Frau, die sie zu einem Sessel winkte.
,,Du bist sicher hungrig und müde? Aber du möchtest nicht gleich jetzt allen anderen im Speisesaal beim Abendbrot begegnen, stimmt’s? Das habe ich mir gedacht.. ” Mutter Lauria berührte ein Glöckchen. Das stupsnasige Mädchen, das Magda eingelassen hatte, erschien im Eingang.
„Bringe mir und unserer neuen Schwester etwas zu essen aus dem Speisesaal”, sagte Mutter Lauria. Das kleine Mädchen ging wieder; sie konnte nicht älter als dreizehn sein. Mutter Lauria wies auf einen Sessel neben dem Kamin, in dem zu dieser Jahreszeit kein Feuer brannte. „Setz dich. Wir wollen uns eine Weile unterhalten; es gilt Entscheidungen zu treffen.”
An der hinteren Wand des Büros lehnte eine große Holztür mit Kupferbeschlägen. Es war daran wie mit einer Axt herumgehackt worden, und sie war teilweise verbrannt. Magda betrachtete das mitgenommene Relikt, und Mutter Lauria folgte ihrem Blick.
„Diese Tür befindet sich seit mehr als hundert Jahren hier”, berichtete sie. „Die Frau eines reichen Kaufmanns in Thendara floh zu uns, weil ihr Mann sie auf eine Weise, die man nicht wiederholen kann, mißhandelt und schließlich von ihr verlangt hatte, auf dem Dachboden zu schlafen und ihn und seine neue Konkubine zu bedienen. Die Frau leistete bei uns den Eid, aber ihr Mann warb eine Armee von Söldnern an, und so waren wir gezwungen zu kämpfen. Er schwor, er werde dies Haus mit uns darin dem Erdboden gleich machen. Rima - das war ihr Name - erbot sich, zu ihm zurückzukehren. Sie sagte, sie wolle nicht Ursache unseres Todes sein. Aber wir kämpften nicht für sie allein, sondern auch um das Recht, unabhängig von Männern zu leben. Die Schlacht dauerte drei Tage lang die Spuren davon siehst du dort”
Magda erschauerte. Die zerhackte, verbrannte Tür sah aus, als sei an einer Stelle eine Axt bis halbwegs zur Mitte vorgedrungen. „Und es gelang euch, sie zurückzuschlagen?”
„Wäre es uns nicht gelungen, würde keine von uns beiden jetzt hier stehen”, antwortete Lauria. „Die Götter mögen geben, daß wir uns eines Tages unserer Freiheit als eines Rechts erfreuen dürfen, das wir nicht mit dem Schwert zu verteidigen brauchen. Aber bis
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