Gildenhaus Thendara
warmen Kleidung und betrachtete ungläubig Jaelles dünne Jacke, über der sie nur einen ganz leichten Reitmantel trug.
„Es ist doch beinahe Sommer”, stellte Jaelle fest, und Cholayna lachte. „Nicht für mich!”
Aber Cholayna blieb nicht hinter Jaelle zurück, trotz der hochhackigen Sandaletten, in denen Jaelle keine vier Schritte hätte tun können, ohne sich die Knöchel zu brechen. Neben Cholayna hergehend, fühlte Jaelle sich wieder wie ein junges Mädchen, den Zögling der Amazonen. Es hatte eine Zeit gegeben, als Kindra Arbeit als Wächterin für Lagerhäuser in der Stadt angenommen hatte. Bei ihren morgendlichen Runden hatte sie ihre Pflegetochter manchmal mitgenommen, und diese Stunden hatten für Mutter und Tochter mit zu den schönsten gehört. Jene Monate hatten Jaelle zur Amazone gemacht.
Kindra hätte sie sich ganz anders anvertrauen können als Rohana. Kaum hatte sie ein Kind empfangen, da sah Rohana in ihr schon nicht mehr Jaelle, sondern nur noch die potentielle Mutter einer Erbin für die AillardDomäne.
Doch im Gildenhaus war bestimmt jemand, bei dem sie sich aussprechen konnte.
Sie gingen über den Marktplatz, und Jaelle bemerkte große Augen und neugierige Blicke auf Cholaynas dunkle Haut. Man hätte jedoch meinen können, Cholayna habe nie etwas anderes erlebt als diese entsetzten oder feindseligen Mienen. Sie marschierte ungerührt in ihrer Uniform hindurch. Jaelle beneidete sie um soviel Selbstsicherheit.
Ich war auch einmal so, damals, als ich mit Kindra ging, und die Stadtbewohner glotzten und höhnische Bemerkungen über die Entsagenden machten. Was ist nur aus mir geworden?
Erst auf den Stufen des Gildenhauses zögerte Cholayna einen Augenblick und fragte: „Hätte ich Make-up auflegen sollen, Jaelle? Ich könnte meine Haut so anmalen, daß ich wie alle anderen aussähe. Ich möchte dich in deinem eigenen Haus nicht in Verlegenheit setzen…”
Es machte Cholayna in Jaelles Augen noch sympathischer, daß sie fragte, aber Jaelle schüttelte entschieden den Kopf. Die Entsagenden waren selbst anders als die Masse. Wenn sie die Unterschiede in Cholaynas Aussehen nicht akzeptierten, sollten sie sich schämen.
Und wirklich, als Irmelin ihnen die Tür öffnete, starrte sie Cholayna zwar kurz an, aber schnell nahm sie sich zusammen und begrüßte Jaelle mit einer Umarmung.
„Ich weiß, Mutter Lauria wird Euch sprechen wollen”, sagte sie zu Cholayna und schob die Terranerin ohne Umstände in das Büro der Gildenmutter. Auf Jaelles Fragen antwortete sie, Rafaella, Camilla und Margali seien jetzt schon mehrere Tage draußen bei der Brandbekämpfung. Alle meine Eidesschwestern. Es ist nicht eine hier, mit der ich reden kann. Sie vermutete, Marisela sei mit den anderen gegangen, aber Irmelin informierte sie, Marisela sei im Haus. Sie erriet auch gleich, warum Jaelle sie gern gesprochen hätte.
„Du erwartest ein Kind, Jaelle? Wie schön für dich!” Jaelle sagte sich, daß sie damit hätte rechnen müssen. Sie antwortete, wie es sich schickte, und ging mit Irmelin in die Küche. Dort saß sie dann mit einem Becher voll heißem Borkentee und einem ofenfrischen Stück Brot mit Butter, als sei sie wieder das zwölfjährige Pflegekind, das im Gildenhaus der Liebling aller gewesen war.
„Ich hole dir Marisela, es ist nicht nötig, daß du die vielen Stufen hinaufund wieder hinunterläufst…”
„Irmi, es dauert noch vier Monde, bis es mir schwerfallen wird, Stufen hinauf- und hinunterzulaufen”, protestierte Jaelle. Trotzdem war es tröstlich, von Irmelin so umsorgt zu werden. Wenigstens ein Mensch nahm Anteil an ihr - und schon tropften Tränen in ihren Tee. Nach einer Weile kam Marisela in die Küche, goß sich Tee ein und setzte sich mit dem dampfenden Becher an den Tisch. Sie lächelte Jaelle zu, dies Lächeln, das selten ihren Mund erreichte, sondern nur hinter ihren Augen funkelte. „Du siehst gesund aus, Shaya. Gibt es einen Grund, weshalb ich zu dir hätte herunterkommen sollen?”
„Oh, Marisela, es tut mir leid, ich habe Irmelin doch gesagt.. “ „Nein, Schwester, das geht in Ordnung. Ich habe das Frühstück verschlafen und freue mich, Gesellschaft zu haben, jetzt, wo alle anderen bei der Brandbekämpfung sind”
„Kann ich dir etwas holen?” fragte Jaelle. Marisela wollte schon den Kopf schütteln, dann sah sie Jaelle scharf an und sagte: „Ja, ich hätte gern Brot, sehr dünn geschnitten, bitte, und Honig anstelle von Butter” Und Jaelle machte sich geschäftig daran,
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