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Gildenhaus Thendara

Gildenhaus Thendara

Titel: Gildenhaus Thendara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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kannte buchstäblich jeden Weg in den Bergen, aber welchen sie genommen hatte und von welchem sie glaubte, daß Li ihn genommen habe, war reine Vermutung. Zum ersten Mal, seit sie aus dem Amazonenhaus geflohen war, legte sich Magda die Frage vor, ob sie tollkühn und unbesonnen gewesen sei. Jaelle in den Bergen zu suchen, wenn Jaelle in verzweifelter Stimmung war und der Fährte eines Mannes folgte, der die Gegend nicht kannte, war eine doppelte Dummheit. Als Terranerin hätte sie einen Hubschrauber für die Suche nach Botschafter Li anfordern und zumindest feststellen lassen können, daß er sich nicht in Gefahr befand. Aber die Wolkendecke und der Regen würden verhindern, daß man vom Hubschrauber aus viel sah, und wenn sich der heftige Sturm, den sie in den Knochen fühlte, tatsächlich erhob, mochte er einen Hubschrauber aus dem Himmel blasen.
Und was die Suche nach Jaelle betraf - vielleicht hätte sie in die ComynBurg gehen und jemanden wie Lady Rohana bitten sollen, sie mit einem Sternenstein aufzuspüren… Und dann fragte Magda sich, ob sie den Verstand verloren habe. Wie Jaelle, die alles verabscheute, was mit MatrixTechnologie zusammenhing, auf ein solches Verfahren reagieren würde, konnte sie sich nur zu gut vorstellen.
Trotzdem habe ich töricht gehandelt. Jaelle war in Gefahr, das wußte sie. Sie spürte es wie den nahenden Sturm in den Knochen. Aber ihr bei diesem Wetter allein nachzurasen, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, welchen Weg sie genommen hatte, war nicht die klügste Entscheidung. Zumindest hätte sie die wetterkundige Camilla, eine geschickte Fährtensucherin und Bergführerin, bitten sollen, sie zu begleiten. Camilla liebt uns beide…und Jaelle ist für sie wie eine Tochter. Doch auf den Gedanken war sie überhaupt nicht gekommen.
Warum bin ich allein losgestürzt? Wie sie sich auch den Kopf zerbrach, Magda fand als Erklärung nur die zwingende Antwort: Weil ich muß, weil es keine andere ehrenhafte Möglichkeit gab.
Sie hatte das Gildenhaus verlassen, ohne zu Abend zu essen. Jetzt nahm sie eine Handvoll Trockenobst aus der Manteltasche, steckte immer ein Stück in den Mund und kaute darauf, während sie ihr Pferd langsam dahintrotten ließ. Bald mußte sie sich für einen der Wege in die Berge entscheiden. Sie konnte der guten Straße folgen, der Großen Nordstraße, die an Hali vorbei bis in die Hellers hineinführte und bei Aldaran endete. Aber wenn sie das tat, vergab sie vielleicht die Chance, Jaelle schnell einzuholen. Jaelle wurde sich durch nichts davon abbringen lassen, Alessandro Li weiter zu folgen, aber wenigstens konnte sie dann mit ihr reiten und ihr helfen, den Mann zu finden, bevor ihn seine Unkenntnis der darkovanischen Straßen und des darkovanischen Wetters umbrachte.
Das dumme Mädchen, derartig kopflos davonzustürzen… Hätte sie, Magda, ebenso viel für einen Vorgesetzten getan? Ja! Sie hatte kaum weniger voreilig gehandelt, als sie in der Tracht einer Freien Amazone in die Berge ritt, um Peter Haldane zu retten, obwohl sie so gut wie nichts über die Amazonen wußte. Und diese offenkundige Verrücktheit hatte sie hierhergebracht. Sie war jetzt eine echte Amazone und hatte den Eid der Entsagenden geleistet. Das war eine Wahnsinnstat gewesen und doch die richtige Entscheidung auf dem Weg zu ihrer Bestimmung. Wünschte sie, es ungeschehen zu ma
chen? Nein, denn es hatte Peter das Leben gerettet, und so sehr Peter sie geärgert hatte, den Tod wünschte sie ihm nicht. Sie selbst war dadurch ins Gildenhaus gekommen, das ebenfalls ein so unausweichlicher Bestandteil ihres Schicksals war, daß sie sich ein Leben ohne den Hintergrund des Eides nicht mehr vorzustellen vermochte.
Auch wenn sie in diesem Augenblick den geleisteten Eid hinter sich ließ… Nein. Es bestand kein Anlaß, sich mit Skrupeln zu quälen. Sie hatte Camillas Erlaubnis zu gehen, die Erlaubnis einer Gildenmutter des Hauses. Magda hielt ihr Pferd an, betrachtete im verblassenden grauen Licht die Kreuzung und versuchte, mit Hilfe der eidetischen Merktechniken des terranischen Nachrichtendienstes vor ihrem geistigen Auge das Bild der Landkarte mit den Wegen, die in die Kilghardberge führten, heraufzubeschwören. Vor ihr lag eine dreifache Gabelung: Die Große Nordstraße, die nordwärts an Hali vorbeiführte und später nach Armida abbog, die schmale Straße, auf der man über den Dämmerungspaß im Westen die Venzaberge erreichte (die wenigstens konnte sie von vornherein ausschließen), und den

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