Gildenhaus Thendara
getötet hätte.
Konnte ein Mensch jemals seiner eigenen Welt völlig entsagen? War sie eine Torin gewesen, daß sie es versuchte? Sollte sie einfach aufgeben, Mutter Lauria sagen, es sei zuviel für sie, sollte sie darum bitten, doch noch von ihrem Eid, ihrem erzwungenen Eid, befreit zu werden? Vielleicht brauchte sie diese Entscheidung gar nicht zu fällen. Wenn über ihre angebliche Untat beraten wurde, verstieß man sie vielleicht aus dem Gildenhaus, und das ersparte ihr die Wahl.
Und wie soll ich dann Jaelle gegenübertreten?
Im Gildenhaus versammelte man sich mittags nicht zum Essen; wer Hunger hatte, ging in die Küche und nahm sich Brot und kaltes Fleisch, und so stieg auch Magda, die noch an die terranischen Mahlzeiten gewöhnt war und um diese Zeit einen leichten Imbiß liebte, eine Weile später nach unten. Sie füllte einen Becher mit dem Borkentee, der immer im Kessel über dem belegten Feuer vor sich hin kochte - es war kein Kaffee, aber er war heiß, und die Küche war kalt, und Magdas Hände schlössen sich mit Behagen um das Gefäß -, schnitt sich Brot von einem Laib ab und bestrich es mit Butter und dem weichen Käse, der in einem Steinguttopf aufbewahrt wurde. Es machte ihr zuviel Mühe, sich von dem Fleisch im Kühlraum abzuschneiden, und außerdem war es ihr da drinnen zu kalt. Sie setzte sich, kaute und fragte sich, wo Irmelin stecke. Der Teig für das Brot zum Abendessen ging an einem Ende des Tisches in einer großen Schüssel, zugedeckt mit einem sauberen Tuch, und gab schmatzende Laute von sich. Magda wischte die Krümel zusammen und spülte ihren Becher aus - eine der strengsten Regeln war, daß jeder, der sich Essen aus der Küche holte, sie so sauber verlassen
mußte, wie er sie betreten hatte -, als Irmelin den Kopf durch die Tür steckte.
„Oh, Margali! Du warst nicht in deinem Zimmer. Ich hoffte, dich hier zu finden. Willst du den Hallendienst Übernehmen? Byrna nährt gerade das Baby”
Magda zuckte die Schultern. „Sicher”, sagte sie und wollte sich auf den Weg in die Halle machen. Aber Irmelin hielt sie zurück. Ihr rundes Gesicht glänzte vor Neugier.
„Bist du nicht Jaelle n’ha Meloras Eidestochter?”
„Ja, die bin ich”, antwortete Magda, und Irmelin nickte. „Wußte ich ‘s doch! Sie ist hier bei Mutter Lauria, und sie haben sich schon seit Stunden in ihrem Büro eingeschlossen…” Mit großen Augen setzte sie hinzu: „Vermutlich hat Mutter Lauria nach ihr geschickt, um mit ihr zu besprechen, was mit dir geschehen soll. Ich hoffe, sie erlauben dir zu bleiben, Margali. Meiner Meinung nach war Camilla zu hart gegen dich wir können doch nicht alle den Ehrenkodex der Söldner kennen, und ich sehe auch nicht ein, warum wir ihn kennen sollten”
Gerade mit ihrer Freundlichkeit hatte Irmelin Magdas Seelenfrieden wieder gestört. War es so ernst, daß sie Jaelle deswegen aus der terranischen Zone geholt hatten? Irmelins Gedanken waren schon wieder bei ihrer Arbeit. „Geh jetzt und setz dich in die Halle, um die Leute hereinzulassen. Ich muß den Brotteig kneten und rechtzeitig zum Abendessen in den Ofen bekommen, und wenn Shaya hier ist, möchte ich noch Gewürzbrot backen” Magda setzte sich in die Halle, knüpfte lustlos an ihrem Gürtel und mußte, ob sie wollte oder nicht, an das letzte Mal denken, als sie daran gearbeitet hatte. Dann erklang die Türglocke und sie machte sich auf Ärger gefaßt. Auf der Schwelle stand ein Mann in der grün und schwarzen Uniform eines Gardisten, und Magda schob aggressiv das Kinn vor.
„Was wollt Ihr?”
„Ist Byrna drinnen?”
„Ihr könnt sie im Fremdenzimmer sprechen, wenn Ihr wollt”, sagte Magda. „Oh, ich freue mich, daß sie wieder auf den Beinen ist”, erwiderte der junge Mann.
„Darf ich ihr sagen, wer nach ihr fragt?”
„Mein Name ist Errol”, stellte er sich vor, „und ich bin der Vater ihres Sohns” Er war ein sehr großer, sehr junger Mann, die Wangen noch flaumig vom ersten Schatten eines Bartes. „Meine Schwester hat gerade erst ein Kind bekommen und sich erboten, den Jungen mit ihrem eigenen zu nähren. Deshalb komme ich, um ihn mitzunehmen”
So bald schon. Er ist erst zehn Tage alt. Oh, arme Byrna. Der sehr junge Mann mußte ihren traurigen Blick bemerkt haben, denn er meinte unsicher: „Sie hat mir gesagt, sie wolle ihn nicht behalten, und da dachte ich, je eher ich ihn ihr abnehme, um so besser wäre es für sie.”
„Ich will gehen und es ihr sagen.” Magda führte den jungen Mann ins
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