Gildenhaus Thendara
Jaelle machte sich Sorgen; sie hatte nicht gewußt, daß Magda sich dazu entschlossen hatte, hier anonym zu leben. Aber Mutter Lauria hatte sich bereits erhoben - die Unterredung war beendet.
Jaelle ging und wusch sich die Hände in der Spülküche des Erdgeschosses. Hier war ihr Zuhause, sann sie, und zum ersten Mal, seit sie elf Jahre alt gewesen war, hatte sie hier keinen festen Platz! Sie ging in den Speisesaal, und dann schrie jemand: „Jaelle!” und Rafaella umarmte sie begeistert. Jaelle erwiderte die Umarmung und lachte fröhlich über die Überraschung ihrer Partnerin.
„Du hast nicht erwartet, mich zu sehen, nicht wahr? Wie geht das Geschäft?”
„So gut, wie man es verlangen kann, wenn du so lange Zeit weggewesen bist”, gab Rafaella halb scherzend, halb in echtem Groll zurück. „Wie kannst du nur bei den Terranan arbeiten!”
„Ich bin nicht die erste und werde nicht die letzte sein”, erklärte Jaelle ruhig. „Ich werde beim Haustreffen darüber berichten. Und du hast das Haus öfter als einmal verlassen, um mit einem Freipartner zu leben!” „Nicht mit einem Terranan!” Rafaellas lebhaftes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Ekels. „Da wurde ich mich ebenso gern mit einem cralmac paaren!”
Jaelle lachte. „Ich habe noch nie mit einem cralmac geschlafen und weiß nichts über ihre Bettmanieren. Aber in den Bergen hat mir einmal eine Frau erzählt, sie schlafe der Wärme wegen jede Nacht zwischen ihren beiden weiblichen cralmacs, also können sie gar so widerwärtig nicht sein! Doch im Ernst, Rafi, die Terraner sind Menschen wie andere. Sie unterscheiden sich von uns nicht stärker als Leute aus dem Gebirge von Tiefländern, nur in der Sprache und den Sitten, sonst nicht. Sie sind uns viel ähnlicher als die chieri, und es ist Blut des Alten Volkes in der ganzen Hastur-Sippe. Ich hätte nicht gedacht, daß ausgerechnet du abergläubischen Unsinn über die Terraner wiederholst, als hätten sie Hörner und Schwänze”
Vielleicht, dachte sie, ist es kein Wunder, daß Magda lieber anonym bleiben möchte, wenn dieser Unsinn über die Terraner von den Frauen hier allgemein geglaubt wird! Ich hätte die Schwestern meines eigenen Gildenhauses für vernünftiger gehalten. Sie sprach nicht
weiter darüber, denn sie wollte mit ihrer Freundin und Partnerin nicht streiten.
„Erzähl mir doch, wie es mit der Arbeit geht, Rafi. Weißt du, du könntest für einige Zeit, während ich weg bin, oder sogar für dauernd eine andere Partnerin nehmen - wir haben in den meisten Jahren genug für drei zu tun. Und was macht mein Baby Doria?”
„Dein Baby macht gerade sein Hausjahr durch und wird zu Mittsommer den Eid leisten”, lautete Rafaellas trockene Antwort. „Wenn sie es schafft, zugelassen zu werden. Sie ist im allerschlimmsten Stadium des Heranwachsens. Jedes Mal, wenn ich ihr ein Wort sage, bricht sie in Tränen aus. Das Geschäft? Ja, ich habe zwei Karawanen ablehnen müssen, aber sonst geht es gut. Da ist ein neuer Sattelmacher…”
„Könnt ihr euch keinen anderen Platz suchen, um euch zu unterhalten?” fragte eine große, schlanke Frau mit golden schimmerndem Haar, die eine lange Schürze über den Hosen festgesteckt hatte. Rafaella legte ihrer Freundin die Hand auf die Schulter und schob sie weiter, so daß die Frau Teller und Schüsseln auf den langen Tisch stellen konnte. „Unsere Schwester Keitha, sie ist zur gleichen Zeit wie deine Eidestochter Margali zu uns gekommen” Rafaella drehte sich um und stellte Jaelle vor. Jetzt strömten Frauen in den Speisesaal, einzeln und in kleinen Gruppen, standen herum und plauderten, nahmen unter dem Klirren des Geschirrs Platz. Es duftete nach frischem Brot, noch warm vom Ofen, und Jaelle sog erfreut die Luft ein.
„Richtiges Essen! Ich bin ganz ausgehungert!”
„Was ist denn los, geben die Terraner dir nichts zu essen? Du hast aber zugenommen” Rafaella hob die Augenbrauen. „Oder gibt es dafür einen anderen Grund, Shaya?”
Jaelle lächelte über den Kosenamen, den sie hier im Haus erhalten hatte, als sie jünger als Doria gewesen war, rückte jedoch ein bißchen von Rafi ab. Sie wollte darüber jetzt nicht sprechen.
Immerhin, ich wäre in der Lage, ein Kind mit Peters Hilfe selbst aufzuziehen, ich brauchte mich nicht davor zu fürchten, einen Jungen zu bekommen, den ich im Alter von fünf Jahren weggeben müßte. Ich war immer der Meinung, Amazonen sollten keine Kinder haben. Es gibt genug unerwünschte Mädchen, die wir in unsere
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