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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Geist
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der Raum relativ? Sie werden wieder einwenden, dass ein Meter immer aus hundert Zentimetern besteht, dass es objektivierbare Parameter gibt neben subjektiven Empfindungen. Nichts davon ist wahr“.
    Herr Gryphius bekräftigte seine Behauptung mit einer wegwerfenden Handbewegung.
    „Ich sage ihnen, der Blinde, der behauptet, die Welt sei dunkel, hat genauso recht wie derjenige, der ihm widerspricht. Es gibt keine Wahrheit, sondern lediglich die Projektion eines winzigen Ausschnitts der Wirklichkeit auf die Leinwand unseres begrenzten Verstandes. Es ist wie in Platons Höhlengleichnis, nur dass kein Weg aus der Höhle herausführt. Und doch gibt es einen einzigen Ausweg.“
    Herr Gryphius schaute den wehrlosen Mann zu seinen Füßen amüsiert an.
    „Die Zeit“, flüsterte Christopher.
    „So ist es. Wer die Zeit überwindet, beherrscht die Welt. Springen sie von der Klippe. Wenn sie erst gesprungen sind wie ich und zurückschauen, werden sie erkennen, dass der vermeintlich feste Boden unter ihren Füßen eine Illusion war. Es gibt kein oben und unten, kein Gut oder Böse“.
    Gryphius hatte begonnen, ausladend mit den Armen zu gestikulieren. Er war ein Demagoge, dem man sich nicht leicht entziehen konnte.
    „Ich weiß nicht, welcher große Schamane im Jahre 3114 vor der Zeitrechnung seine Religion etablierte, doch in diese Periode fiel der erste kulturelle Höhepunkt Ägyptens mit der Entwicklung des geschriebenen Wortes. Rechnen Sie doch schnell mal nach, wann der zweite Umlauf des Schwarzen Lochs beendet war“.
    Herr Gryphius schaute Christopher beinahe spitzbübisch an.
    „Die Mitte zwischen 3114 vor- und 2012 nach Christi Geburt?“ Christopher überlegte einen Augenblick.
    „Das Jahr 551 vor der Zeitrechnung“.
    „Um diese Zeit entwickelten die Griechen den ersten Kompass. Und welche herausragende Persönlichkeit fällt ihnen ein, die noch heute eine Leitfigur für eines der größten Völker der Erde ist?“
    Die bevölkerungsreichsten Länder lagen heute im Osten.
    „Konfuzius?“, rief er verblüfft aus.
    Herr Gryphius lächelte triumphierend. „Die wesentlichen Tugenden, die Konfuzius uns hinterließ, sind Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit. Das entspricht exakt den Haupttugenden der gefiederten Schlange. Fällt Ihnen noch jemand ein, der in das elitäre Grüppchen passt?“
    „Jesus?“, fragte Christopher unsicher.
    „Exakt“, erwiderte Herr Gryphius.
    „Aber die Geburt Jesu und der gefiederten Schlange fallen auf kein besonderes Datum des Mayakalenders“, gab Christopher zu bedenken.
    „Guter Einwand“. Die Unterhaltung fing an, Herrn Gryphius Spaß zu machen. „Aber denken Sie bitte mal an ein astronomisches Ereignis zur Zeit Jesu“.
    „Der Stern von Bethlehem?“, fragte Christopher.
    „Schon wieder richtig“, erwiderte Herr Gryphius freudig.
    „Heute wird allgemein anerkannt, was Johannes Kepler schon herausfand, der ja interessanterweise im Nachbarort, in Weil der Stadt, geboren wurde.
    Im Herbst 1604 kam es zu einer Konjunktur zwischen Jupiter, Saturn und Mars, die so eng zusammenstanden, dass sie der hellste Lichtfleck am Himmel wurden. Da kam ihm die zündende Idee. Er rechnete zurück und fand dreimalig kurz hintereinander eine Konjunktur von Jupiter und Saturn im Sternbild Fische im Jahr sieben vor der Zeitrechnung, dem wahren Geburtsjahr Jesu. Das hätte den Heiligen Drei Königen auch ausreichend Zeit gegeben, um dem vermeintlichen Stern über tausend mühselige Kilometer aus dem Irak nach Bethlehem zu folgen, bevor er wieder erlosch“.
    Christopher unterbrach ihn. „Kepler sprach aber von einer nova stella , nicht von einer ungewöhnlichen Planetenkonstellation, und er hätte den Unterschied gekannt“.
    „Sie erstaunen mich immer wieder, Herr Martinez. Er spricht tatsächlich von einem neuen Stern. Das lag aber daran, dass er im Jahre 1604 dicht bei den konjugierenden Planeten eine Supernova beobachtete, deren Entfernung und Ursprung er nicht kennen konnte. Er nahm fälschlich an, dass Konjunktur und Supernova irgendwie in Zusammenhang stünden, und der Stern über Bethlehem ebenfalls eine zusammen mit den Planeten aufleuchtende nova stella gewesen sei. Er hatte damit recht“.
    Christopher erwiderte skeptisch:
    „Ich glaube, er wusste, dass der Stern über der Krippe lediglich die konjugierenden Planeten waren. Kepler hatte durch den Hexenprozess gegen seine Mutter und die eigenen Probleme mit Rom kein Interesse daran zu provozieren und den Stern von Bethlehem, der

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