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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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versucht, oder? Und dann dämmerte es mir. Die Antwort war verblüffend, weil sie so offensichtlich war. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
    »Wir haben das Ganze vollkommen falsch angefangen«, sagte ich verblüfft.
    »Wie meinst du das, Evie?«, fragte Sarah.
    »Wir haben den Talisman mit unseren eigenen Kräften erreichen wollen. Aber Agnes’ Element war das Feuer, nicht Wasser oder Erde oder Luft. Wenn wir Agnes’ Kraft befreien wollen, müssen wir es mit ihrem Element tun, nicht mit unseren.« Ich sah die anderen an, überzeugt davon, dass ich recht hatte. »Wir müssen die Macht des
Feuers kanalisieren. Sie hat gesagt, dass ich ihrem Weg folgen muss – ich dachte, sie meint damit nur den Mystischen Weg, aber sie muss von ihren eigenen besonderen Kräften gesprochen haben. Das Feuer ist der Schlüssel zum Talisman.«
    »Aber kannst du mit Feuer irgendwas tun?«, fragte Sarah schnell.
    »Ich weiß es nicht, ich habe es noch nie probiert.«
    »Dann versuch es jetzt«, sagte Helen.
    Sarah suchte ein paar Stücke verrottetes Holz zusammen und machte in den Trümmern des alten Hauses ein Feuer. Das Holz knisterte und qualmte, aber schließlich flackerte eine dünne, orangefarbene Flamme auf und wurde heller. Ich spürte, wie ich immer aufgeregter wurde. Dieses Mal würde ich es wirklich tun; alles würde endlich einen Sinn ergeben. Dieses Mal würde Agnes mir helfen, dessen war ich mir ganz sicher.
    »Versuche, die Flamme mit der Kraft deiner Gedanken zu kontrollieren«, sagte Helen. »Das ist eines von den Dingen, die Agnes als Erstes lernen musste.«
    »In Ordnung. Ich versuche es.«
    Wir bildeten einen Kreis und hielten uns an den Händen; dann begannen wir zu singen. Während ich meinen Geist auf den einlullenden Anrufungen dahintreiben ließ, fingen die Stimmen des fernen Meeres und der unterirdischen Ströme und der Regenwolken hoch über den Hügeln an, mich zu rufen, aber ich musste versuchen, sie auszublenden.
    Feuer. Das war es, was ich jetzt brauchte. Ich musste an Wärme und Farben und Leben denken. Ich hielt den Talisman fest umklammert und konzentrierte mich auf
die tanzenden Flammen, die an den kleinen Holzstückchen leckten. Feuer. Hitze. Leben. Das Feuer unserer Begierden … Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu konzentrieren.
    In meinem Geist sah ich die Flammen wie lodernde Raketen aufflackern. Ein Hitzeschwall wogte über mich hinweg, und ich hatte den Eindruck, als würde ich ein Mädchen mit kastanienbraunen Haaren in einem schäbigen Raum stehen sehen. Es war Agnes. Sie war von tanzenden, feurigen Lichtern umgeben. Sie zuckte mit dem Handgelenk, um sie zu kontrollieren, und schuf herrliche Formen, die um sie herumschwebten — Sterne und Libellen und Paradiesvögel. Sie blickte mir in die Augen und streckte mir ihre Hände entgegen. Du kannst das, Evie . Mein Gesicht und meine Hände wurden heiß; ich schnappte keuchend nach Luft — und dann machte ich die Augen auf und griff nach dem Feuer, das auf dem Fußboden des Bauernhauses glühte. Mit der ganzen Kraft meines Geistes zwang ich die Flammen, sich zu verändern, und befahl ihnen, mir zu gehorchen.
    Nichts geschah.
    »Ich kann es nicht.« Schwach und zittrig trat ich zurück. »Ich kann es nicht. Tut mir leid.«
    Sarah und Helen sahen sich an. Eine verlegene Stille entstand zwischen uns.
    »Vielleicht könntest du es irgendwann ja doch noch lernen«, sagte Helen langsam. »Aber wie lange würde das wohl dauern? Und es geht ja nicht einfach nur darum, eine einzelne Flamme zu beherrschen. Agnes’ Kräfte waren viel umfassender als das.«
    »Ich weiß«, stöhnte ich. »Ich weiß, ich weiß, ich weiß.«
Ich stolperte ins Freie, denn ich brauchte unbedingt frische Luft. Draußen lehnte ich mich gegen die grobe Wand des Häuschens und ließ mir den Wind durch die Haare wehen, als könnte er auch die Last meiner Verzweiflung mitnehmen. Ich blickte über das Tal, dorthin, wo sich das Dorf in den Falten der Landschaft verbarg. Hinter einem Raster aus kahlen Bäumen konnte ich die Türme der Abtei erkennen. Dort unten genossen die Mädchen die Möglichkeiten sonntagnachmittäglicher Entspannung, die sogar Wyldcliffe gewährte. Sie schrieben Briefe nach Hause, oder sie lasen, oder sie unterhielten sich, oder sie hatten Musikunterricht, lernten reiten … Eine Sekunde lang sah ich mich einfach weggehen – weg von dem Talisman und allem, was er repräsentierte. Ich könnte ihn wieder hier oben verstecken, und niemand

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