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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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trennt, ist es da zu spät, um erlöst zu werden? Gibt es nicht wenigstens eine einzige gute Tat, die in Erinnerung bleiben könnte, wenn ich gegangen bin? Werde ich nie geheilt werden?
    Vielleicht ist es zu spät.
    Vielleicht ist das jetzt meine Wahrheit.
    Es tut mir so leid, Evie. Vergib mir. Alles tut mir so leid – nur meine Liebe zu dir nicht.

Zweiundzwanzig

    E s tut mir leid«, murmelte ich. »Es tut mir so leid.« Ich hob benommen den Kopf und machte die Augen auf. Aus den verschwommenen Umrissen über mir schälte sich das Gesicht der Schulkrankenschwester heraus. Sarah kauerte besorgt neben ihr.
    »Geht es dir gut, Evie?«, fragte Sarah. »Was war denn los?«
    »Mein Kopf … ich muss ohnmächtig geworden sein. Wie dumm von mir.«
    »Du bist anfällig für so was, nicht wahr?«, fragte die Krankenschwester lebhaft. »Das kommt davon, wenn man erst bis zur Erschöpfung in der Kälte durch die Gegend reitet und dann am Feuer zu viel Hitze abbekommt.« Sie klang streng, aber sie kümmerte sich freundlich um mich. Ich ging nicht weiter auf ihren Vorschlag ein, die Nacht im Krankentrakt zu verbringen, sondern bat sie statt-dessen, einfach zu ignorieren, was geschehen war. »Ich bin nicht krank«, versprach ich. »Es war, wie Sie gesagt haben: Das Feuer war furchtbar heiß, und nach all der frischen Luft draußen war es drinnen ziemlich stickig. Es ist wirklich nichts Ernstes.«
    Schließlich brachte sie mich zu meinem Schlafsaal. Ich musste ihr allerdings versprechen, ihr Bescheid zu sagen,
wenn mir wieder schwindelig werden sollte. Sarah blieb zögernd an der Tür zum Schlafsaal stehen und ging dann los, um nach Helen zu suchen und ihr zu erzählen, was geschehen war, während die Krankenschwester dafür sorgte, dass ich ins Bett kam. Sobald sie gegangen war, höhnte Celeste, die die ganze Zeit am Fenster gesessen und sich die Zehennägel lackiert hatte: »Was diese Ohnmachtsanfälle betrifft, bist du ’ne richtige kleine Heldin, was, Johnson?«
    »Das sind doch nur traurige Versuche, sich irgendwie interessant zu machen«, fügte India hinzu.
    »Absolut jämmerlich.«
    Es wäre Zeitverschwendung gewesen, auf ihre Sticheleien einzugehen und mit ihnen zu streiten. Ich zog die Vorhänge um mein Bett herum zu, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich würde schlafen können. Aber die Krankenschwester hatte recht gehabt, als sie gesagt hatte, dass ich erschöpft war, denn ein paar Augenblicke später fielen mir die Lider zu, und ich sank in einen unruhigen Schlaf.
    Ich träumte nicht.
    Das Nächste, was ich mitbekam, war, dass jemand leise im Schlafsaal herumging. Ich setzte mich auf und lauschte. Vielleicht war es Helen. Vorsichtig schob ich den Vorhang zur Seite und blinzelte in den schwach beleuchteten Raum.
    Ich musste mich zwingen, nicht laut aufzuschreien. Es war wieder geschehen. Ich sah ein anderes Wyldcliffe, nicht das der fernen Zeit, als es ein Kloster gewesen war, sondern das der üppigen, herrlichen Blütezeit des neunzehnten Jahrhunderts, als die Abtei Agnes’ geliebtes Zuhause
gewesen war. Ich war im gleichen Zimmer mit den Bogenfenstern und der Sitzecke direkt daneben, aber die Mauern waren nicht mehr kahl und weiß, und auch von den Betten der anderen Mädchen war nichts zu sehen. Wie durch eine Art Nebel konnte ich bunte Tapeten und Teppiche erkennen, samtene Vorhänge und Wandbehänge, ein aufgeworfenes Seidenbett, aus Holz geschnitzte Möbel und schimmerndes Kerzenlicht. Es war Agnes’ Schlafzimmer, und sie war hier, sie ging vor mir auf und ab.
    Agnes drehte sich um und schien mich zu sehen, aber ganz sicher war ich mir nicht. Dann warf sie sich einen Schal über die Schultern, öffnete die Tür und verließ das Zimmer. Ohne einen Moment zu warten und nachzudenken, schlüpfte ich aus dem Bett. Ich spürte den gewöhnlichen abgenutzten Linoleumboden unter meinen Füßen, auch wenn ich mit meinen Augen den herrlichen gewebten Teppich sah. Irgendwie befand ich mich zwischen den beiden Welten. Ich folgte Agnes auf den Korridor, und sie führte mich zum Kopfende der Marmortreppe. Der Absatz war mit unzähligen Bildern und Spiegeln und exotischen Farnen in dekorativen Blumentöpfen geschmückt, aber die weißen Marmorstufen waren noch genau die gleichen, die ich kannte.
    Langsam, als wäre ich hypnotisiert, folgte ich Agnes die Stufen hinunter, unfähig, etwas zu sagen. Aber mit jedem Schritt, den ich machte, verblassten ihre Umrisse mehr, und schon bald konnte ich sie gar nicht mehr

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