Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
sein.«
»Nein, Sebastian, das wird nicht passieren; es darf nicht passieren. Ich werde das Verblassen rückgängig machen. Ich werde die Kräfte nutzen, die Agnes mir hinterlassen hat, um es aufzuhalten. Wir brauchen einfach nur noch ein bisschen mehr Zeit.«
»Aber wir haben keine Zeit mehr.« Die Schatten im Zimmer schienen schwärzer und tiefer zu werden, und sie zuckten wie Dämonen, die in den verlorenen Landen der Schattenwelt tanzten und schnatterten. Ich sah ihre bösartigen Gesichter; ich roch den fauligen Gestank ihres Atems und spürte ihre üble Begierde, zu quälen und Unglück zu verbreiten. Sebastian durfte keiner von ihnen werden, nein, nein, nein, niemals, niemals, niemals …
»Ich werde uns Zeit verschaffen«, sagte ich wild. »Sebastian, erinnerst du dich nicht daran, was der Hexenzirkel für dich getan hat? Die Schwestern der Dunkelheit haben dir ein Jahr ihres Lebens gegeben. Jede von ihnen hat das getan, um dir deine Kraft zurückzugeben. Ich kann das auch tun.«
»Nein!« Seine Stimme klang schroff, aber eindeutig. »Es wird keinen weiteren Seelenraub mehr geben. Ich möchte, dass du für mich lebst, nicht, dass du für mich stirbst. Dieses Mädchen … Laura, ich habe sie getötet, als ich das getan habe. Ich verdiene das, was jetzt mit mir geschieht.«
»Du hast sie nicht getötet; das war Celia Hartle«, sagte
Helen leise. »Meine Mutter. Sie hat Laura umgebracht. Du solltest nicht dir dafür die Schuld geben.«
»Ich gebe mir für alles die Schuld«, stöhnte er. »Ich habe die Schönheit des Mystischen Weges genommen und verzerrt. Es war falsch. Damit habe ich Agnes das Herz gebrochen.«
»Ja, du hast Fehler gemacht«, sagte Helen. Sie war so ernst wie ein Richter, eingehüllt in ihre unnahbare Schönheit, aber in ihren Augen war Mitgefühl. »Agnes vergibt dir, Sebastian. Sie will, dass wir dir helfen.«
»Agnes …« Er seufzte. »Ich sehe sie, umgeben von Licht, und neben ihr ist Evie …«
»Sebastian, du musst uns zuhören«, sagte ich. »Agnes hat uns aufgetragen, das Buch zu finden. Sie will, dass wir seine Geheimnisse lernen, damit wir dich retten können. Ich werde eine Heilerin werden, so wie Agnes. Hast du es?«
»Das Buch. Natürlich. Ich hatte es vergessen.« Sebastian sah Helen an, und seine Augen waren trüb vor Schmerz. »Deine Mutter – sie hat es mir abverlangt, als ich schwach war. Sie wollte alles wissen, genau wie ich einst.« Er lachte verbittert, dann beugte er sich nach vorn und hustete lang und tief, bevor er sich wieder aufrichtete. »Das Buch ist in der Abtei bei der Obersten Mistress. «
»Die Oberste Mistress ist nicht mehr da«, sagte ich. »Sie ist weg.«
»Das glaube ich nicht. Ich spüre, dass sie nach mir sucht, wie ein Feuer im Dunkeln. Sie sucht nach einer Möglichkeit, mich zu verraten. Ich habe nicht mehr die Kraft, gegen sie zu kämpfen. Ich bin verwundet, Evie,
bis tief in meine Seele. Nicht einmal Agnes könnte mich heilen.« Sebastian schloss die Augen und fing an, leise vor sich hin zu murmeln. »Ich hatte Angst vor dem Sterben. Ich wollte ewig leben. Und jetzt ist das Sterben nicht mehr das Schlimmste. Ich habe mich verirrt … mich verloren … schon bald werde ich ein Sklave sein. Ein Dämon, für die Menschheit verloren …« Plötzlich rief er laut: »Evie, Evie, wo bist du?«
»Hier«, murmelte ich verängstigt und erschreckt – und dennoch war ich froh, bei ihm zu sein. »Ich bin hier, Sebastian. Ich werde mich um dich kümmern.«
»Oh, Evie«, sagte er, wieder ganz ruhig. »Wie sehr ich mir wünschte, ich könnte sterben und dorthin gehen, wo Agnes vor mir hingegangen ist. Alles, was ich jetzt noch will, ist in die nächste Welt überzutreten, in unsere wahre Heimat, wo selbst der ärmste Bettler durch den Tod auf der anderen Seite von Gottes Schwelle willkommen geheißen wird. Ich will nicht als Ausgestoßener in die Schatten verbannt werden, aber der Weg ist versperrt. Ich kann Agnes nicht folgen. Ich kann noch nicht einmal meinem jämmerlichen Leben ein Ende machen. Und jetzt falle ich der ewigen Dunkelheit anheim.«
»Du darfst dich nicht so quälen«, bat ich ihn. »Du musst dich ausruhen, bis ich zurückkomme.«
»Ja, ausruhen … ausruhen.« Er seufzte. »Ausruhen … und schlafen … und sterben … ich brenne … brenne …«
Ich sah mich um, suchte in dem ganzen Durcheinander dieses vollgestopften Raums nach einem Schluck Wasser, wie fade und abgestanden es auch sein mochte. Das Wasser des Lebens ... Ich
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