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Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02

Titel: Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das heilige Feuer
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hier keine verheißungsvolle Atmosphäre, sondern nur einen scharfen Geruch nach Verfall und Enttäuschung. Alles vermoderte, wie ein verlassenes Schloss in einem halbvergessenen Traum.
    Ein Traum. Ein fernes Stöhnen. Das Echo eines Seufzens. Jemand hockte in der dunkelsten Ecke über einen Tisch gebeugt und brütete über einigen Papieren.
    »Sebastian! Oh, Sebastian!«
    Ich stürzte quer durchs Zimmer und lag einen Augenblick später in seinen Armen.
    »Evie! Ich habe dich gerufen …«
    Der Rest der Welt drehte sich unbeachtet um uns herum weiter, während wir uns aneinander festhielten. Nichts anderes war jetzt wichtig. Aber als ich ihn schließlich losließ, sah ich, dass Sebastian so ausgezehrt und schön wie ein sterbender Stern war. Er war bleich und hager, seine von Tintenflecken übersäten Finger zitterten, und seine Augen waren vor Schmerz geweitet. Ich küsste ihn auf die Stirn und die Augen, und mein Herz schnürte sich vor Mitgefühl zusammen. »Was tun sie dir an? Wie soll ich das nur ertragen?«

    »Ich weiß, dass ich mich verändert habe«, stöhnte er und strich sich langsam die langen Haare aus dem Gesicht. »Ich schäme mich, so zu sein wie jetzt.«
    »Nein, das darfst du nicht sagen …«
    »Ich wollte stark sein. Ich wollte, dass wir zusammen wandern und reiten und reisen, dass wir jung und frei zusammenleben. Aber es ist zu spät. Es ist alles zu spät. Alles ist zerstört und beendet.«
    »Das ist es nicht, Sebastian. Wir können immer noch all diese Dinge tun, und noch vieles mehr.« Ich küsste seine Hände und versuchte, nicht zu weinen. »Ich bin gekommen, um dir zu helfen. Ich verspreche es dir.«
    »Niemand kann mir jetzt noch helfen. Alles, was ich mir erhoffen konnte, war, dich wiederzusehen. Ich habe an dich gedacht, dir geschrieben … habe versucht, dich zu erreichen.« Er begann, schwach zu husten. Ich winkte Sarah und Helen zu mir, die zögernd unter dem Torbogen standen. Sie halfen mir, Sebastian zu einem schäbigen Sofa zu schaffen; jedes Mal, wenn wir ihn berührten, verzog er das Gesicht, als würde jeder Knochen in seinem Körper in Flammen stehen. Sein Blick ruhte auf den beiden anderen, und ein Zittern lief durch seinen Körper.
    »Erinnerst du dich an meine Freundinnen?«, fragte ich sanft. »Helen und Sarah sind wie Schwestern für mich. Sie kennen den Mystischen Weg und wissen über alles Bescheid. Sie haben dich schon einmal gesehen, in jener Nacht am Ende des letzten Terms in der Krypta. Sie haben uns geholfen zu entkommen. Erinnerst du dich?«
    »Nicht so richtig. Alles vergeht; alles entgleitet mir … alles, abgesehen von dir.« Er drückte meine Hand. »Du
hast mich gefunden, Evie. Ich hätte nicht gedacht, dass du das schaffen würdest.«
    »Es ist das Einzige, was ich wollte, seit ich nach Wyldcliffe zurückgekehrt bin«, sagte ich. »Jetzt bin ich hier. Alles wird in Ordnung kommen, ich verspreche es dir.«
    »Nein … nein … es ist zu spät. Ich bin zur Abtei gegangen, und dann habe ich dieses Mädchen gesehen. Sie hat mich als das erkannt, was ich jetzt bin: ein Ungeheuer. Und ich habe auch den Jungen gesehen. Er liebt dich, Evie. Ich weiß, dass er das tut. Und du … du musst mich vergessen. Geh mit ihm in der Sonne spazieren …«
    »Sag das nicht! Er ist nur ein Freund, er bedeutet mir nichts. Und ich liebe nur dich, Sebastian; das musst du doch wissen. Ich will keinen anderen. Ich werde niemals einen anderen lieben als dich.«
    »Aber das musst du«, sagte Sebastian eindringlich. »Du musst leben und lieben und Kinder haben.« Er hustete wieder und schnappte nach Luft. »Du musst reisen und arbeiten und die Welt sehen, und all die Dinge tun, die ich nicht tun kann.«
    »Aber ich will diese Dinge nur mit dir tun.«
    »Für mich ist es vorbei. Es ist zu spät.« Sebastian berührte mein Gesicht und versuchte, mir die Tränen abzuwischen. »Weine nicht, mein Liebling.« Er schloss die Augen; das Sprechen hatte ihn erschöpft, und er sank auf die von Stockflecken überzogenen Kissen zurück. »Ich will, dass du frei von mir bist.«
    »Aber ich will diese Art von Freiheit nicht. Ich kann dich nicht gehen lassen, Sebastian«, sagte ich weinend. »Es ist noch nicht vorbei.«
    »Du kannst es nicht aufhalten. Der Prozess des Verblassens
ist fast abgeschlossen. Ich klammere mich nur noch an einen dünnen Faden.« Er hielt inne, um Luft zu holen. »Schon bald werde ich nicht mehr ich selbst sein. Ich fürchte, beim nächsten Neumond werde ich kein Mensch mehr

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