Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
ausritten. Ich hoffte, sie würde sich den Hals brechen.
Josh band das Pferd an, gab ihm aus einem Eimer zu trinken und kam dann zu mir.
»Alles in Ordnung, Evie?«
»Ja, klar doch.«
»Es ist nur … ich habe das Gefühl, dass du mir in letzter Zeit aus dem Weg gehst, weißt du, Entschuldigungen suchst, weshalb du den Unterricht ausfallen lassen kannst. Gefällt dir das Reiten wirklich so wenig?« Er trat näher und fügte hinzu: »Oder bin ich das Problem?«
»Nein! Ich will nicht, dass du das denkst. Ich … ich habe deine Karte bekommen, und die Schnitzerei. Sie ist wunderschön.«
»Sie ist wunderschön, aber – das wolltest du doch sagen, oder nicht? Also, was ist das ›aber‹, Evie?«
»Ich habe bereits einen Freund«, murmelte ich.
Josh holte rasch Luft, dann lächelte er. »Nun, das überrascht mich nicht. Wer ist der Glückliche? Jemand von zu Hause?«
»Nein.«
»Ist er von hier?«, fragte Josh und wirkte erstaunt. »Dann müsste ich ihn kennen.«
»Ähm … nein. Du wirst ihn nicht kennen; er ist … es ist schwer zu erklären …« Ich ließ den Satz nicht sehr überzeugend ausklingen.
»Bist du sicher, dass er tatsächlich existiert, Evie? Du musst nicht irgendeinen Freund erfinden, um mir einen Korb zu geben, weißt du. Wenn du nicht interessiert bist, verstehe ich den Hinweis auch so.«
»Das ist es nicht! Ich mag dich wirklich, Josh, nur …«
»Aber du liebst jemand anderen«, sagte er sanft. »Ist es das?«
Ich nickte unglücklich. »Es tut mir leid. Und die Schnitzerei ist ein so schönes Geschenk. Ich habe mich wirklich darüber gefreut.«
»Nun, behalte sie trotzdem. Vielleicht bringt sie dir Glück. Mehr Glück als ich hatte.«
»Josh, ich …«
»Ich glaube, wir haben beide genug gesagt. Hör zu, es ist keine große Sache. Ich werde dich nicht wieder belästigen, das verspreche ich dir. So oder so wird meine Mom bald wieder zurückkommen, also wirst du mich als Lehrer nicht mehr lange ertragen müssen.«
»Es tut mir leid«, sagte ich. »Du warst großartig.«
»Du auch.« Er machte Anstalten zu gehen, aber dann drehte er sich noch einmal um. »Ich mache mir einfach Sorgen um dich, Evie. Wer immer dieser Junge ist, es kommt mir nicht so vor, als würde er dich besonders glücklich machen.«
Unversehens traten mir Tränen in die Augen. Sebastian hatte mir ein paar kostbare Momente des größten Glücks geschenkt, das ich je erfahren hatte, aber ihn zu lieben hatte mir auch Schmerz und Angst beschert. Wie war das alles überhaupt geschehen? Wie hatte ein zufälliges Treffen mit einem Jungen mit lachenden blauen Augen zu dem hier führen können? Oh, es war kläglich und selbstsüchtig von mir, aber für einen schwachen Moment wünschte ich mir, ich wäre wieder die vernünftige Evie Johnson, die über Geschichten mit Gespenstern und Vampiren und bösen Geistern lachte, weil sie wusste, dass solche Dinge nicht existierten. Ich wünschte, ich
könnte Josh alles erzählen. Er war gut und klug und ruhig, und ich spürte die Verlockung, mich auf seine Kraft zu stützen. Aber ich durfte Sebastians Geheimnisse nicht verraten. Und meine eigenen auch nicht. Ich musste stark sein und auf die Hilfe von irgendjemand anderem verzichten.
»Es geht mir gut, wirklich.«
»Nun, wenn du jemals anderer Meinung sein solltest, weißt du ja, wo du mich findest. Ich möchte dein Freund sein, Evie, einfach nur das. Keine Fesseln, kein Druck. Einfach nur Freunde.«
»Oh, Josh, du bist so nett. Ich habe das nicht verdient.«
»He, weine nicht, Evie, bitte.« Er legte mir die Hände auf die Schultern und versuchte, mich zu beruhigen. »Komm schon, ganz so schlimm kann es nicht sein.« Er wischte mir die Tränen weg und lächelte mich an. »Selbst, wenn du weinst, siehst du fantastisch aus.«
Ich versuchte, das alles mit einem Lachen abzuschütteln und mich zusammenzureißen, aber Josh hielt mich immer noch fest. Sein Gesicht veränderte sich plötzlich, wurde eindringlich und begierig. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass deine Augen die Farbe des Meeres haben? «, flüsterte er. »Und dass deine Haare wie Feuer sind? Du bist wunderschön, Evie.«
»Und spät dran für die nächste Stunde.« Ich wischte mir das Gesicht ab und putzte mir die Nase. »Tut mir leid, dass ich so dumm war.«
Josh ließ die Arme sinken und machte einen Schritt zurück.
»Mir tut es auch leid. Ich vermute, ›einfach nur Freunde‹ sagen so was nicht. Ich werde es nie wieder tun.«
Wir zögerten beide,
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