Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
zerknüllte den Zettel und warf ihn weg.
»Du musst aufpassen, Evie«, sagte Sarah leise.
Ich versuchte, ihre Sorge mit einem Lachen abzutun und eine Zuversicht zu zeigen, die ich nicht ganz empfand. »Nun, die Diebin muss zuerst ergriffen werden, bevor sie bestraft werden kann, und das ist ihnen bis jetzt nicht gelungen.«
»Aber dennoch …«
»Also, was ist wohl in dem anderen?«, fragte ich scherzhaft. »Rattengift? Eine Briefbombe?« Ich riss die Verpackung auf, und ein kleiner, schwerer Gegenstand aus poliertem Holz fiel in meine Hand. Es war ein geschnitztes Pferd, wild und frei und herrlich.
»Das ist ja wunderschön!«, rief Sarah aus. »Und da ist auch eine Karte.«
Auf der Vorderseite der Karte war eine einfache Blume. Innen hatte jemand geschrieben:
Für Evie. Alles Gute zum Valentinstag. J.P.
»J.P. – also ist es von Josh«, sagte Sarah leise.
Sarah und ich starrten uns einen kurzen Augenblick lang an. »Sarah, hör zu, es tut mir so leid. Ich wollte nie …«
»Es spielt keine Rolle; ich bin nicht dumm. Ich kann sehen, wie sehr er dich mag.« Sie seufzte. »Ich nehme an, ich habe die ganze Zeit über gewusst, dass Josh mich immer nur als Kind betrachtet. Ich hatte genügend Zeit zu akzeptieren, dass sich zwischen uns nichts ändern wird. Nur weil wir beide Pferde mögen und er der einzige Junge im Umfeld von mehreren Meilen ist, wir befreundet sind und uns manchmal unterhalten … Nun, das war nicht genug. Wie ich schon gesagt habe, ich gehöre einfach
nicht zu den Mädchen, die von Jungen bemerkt werden. «
»Da bin ich mir nicht so sicher. Cal scheint dich ziemlich eindeutig bemerkt zu haben.«
Sarah sah mit einem verborgenen und verlegenen Gesichtsausdruck nach unten. »Vielleicht hat er das. Mach dir keine Sorgen, Evie; mein Herz ist nicht gebrochen, es hat nur ein paar Prellungen abbekommen.«
»Oh, Sarah …«
Sie umarmte mich warmherzig und zwang sich zu einem Lächeln. »Heißt es nicht, was einen nicht umbringt, macht einen nur härter? Es ist in Ordnung, wirklich. «
»Bist du dir sicher?«
»Ich bin mir sicher.« Dann wurde sie wieder ernst. »Aber was ist mit Josh? Wie wird er es verkraften?«
Ich wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass das Herz von irgendjemandem ein paar Prellungen abbekam – geschweige denn, dass es brach. »Es hat vielleicht gar nicht so viel zu bedeuten«, sagte ich. »Ich vermute, er mag mich, und ich mag ihn; er ist wirklich ein netter Junge. Aber diese Valentinstagsgeschichte … er ist wahrscheinlich einfach nur …«
»Er ist nur was? Höflich? Mach dich nicht lächerlich, Evie. Ich habe gesehen, wie er dich ansieht.«
Ich blickte auf das geschnitzte Pferd in meiner Hand. Er musste Stunden damit verbracht haben, es herzustellen, dachte ich. Das war kein Geschenk, das man leichtfertig machte. Ich erinnerte mich daran, wie er Marthas Medaillon gefunden und es für mich an eine Kette gehängt hatte, ich erinnerte mich, wie er immer einen
Grund fand, mit mir zu plaudern, sobald ich zu den Ställen kam, und wie er mich ansah … Ich konnte mir nicht länger vormachen, dass Josh einfach nur freundlich zu mir war. Aber ich konnte sein Geschenk auch nicht annehmen.
»Wieso muss alles nur immer so kompliziert sein?«, stöhnte ich. »Ich werde zu ihm gehen und mit ihm reden und es ihm erklären. Wenn jemand nach mir fragt, würdest du dann bitte sagen, dass ich Kopfschmerzen hatte und zur Krankenschwester gegangen bin?«
»Klar.«
Ich ging langsam über den Stallhof, hoffte insgeheim, dass Josh nicht da sein würde, und verfluchte mich zugleich für meine Feigheit. Ich würde ihm die Wahrheit sagen, mich für das Geschenk bedanken und ihm in aller Ruhe erklären, dass ich einen Freund hatte, das war alles. Aber es würde nur ein Bruchteil der Wahrheit sein, und ich hasste es, ihn anzulügen.
»Du bist ja ganz in Gedanken versunken.«
Ich sah auf. Josh war da, er stand direkt vor mir. Er führte eine wunderschöne weiße Stute über den Hof und lächelte sein goldenes, offenes Lächeln.
»Oh … Josh. Hi … Ich meine, das ist ein schönes Pferd«, sagte ich lahm.
»Sie ist wirklich etwas Besonderes. Ich kümmere mich sehr gut um sie.«
»Wem gehört sie?«, fragte ich, froh, über etwas reden zu können, das nichts mit dem Valentinstag zu tun hatte.
»Einer Lehrerin. Miss Scratton.«
»Oh.« Also ritt Miss Scratton. Sie hatte sich dieses Pferd wahrscheinlich zur Schule schicken lassen, um uns
besser ausspionieren zu können, wenn wir
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