Gillian Shields - Die Schwestern der Dunkelheit - 02
eigentlich gar nicht sinnvoll, da es meilenweit weg von allem ist. Gewöhnlich bleiben wir im Winter mehr in der Nähe irgendeiner Stadt. Aber es ist eine Art Tradition in unserer Familie, dass wir nicht zu viele Jahre vergehen lassen, ehe wir wieder nach Wyldcliffe kommen. Hat was mit einem alten Versprechen zu tun.«
»Kennst du jemanden, der Sebastian heißt?«, fragte ich. Das Herz schlug mir bis zum Hals.
Cal dachte eine Weile nach, dann schüttelte er den Kopf. »Mir fällt niemand ein, der so geheißen hat.«
»Oh.« Enttäuschung schwappte über mich hinweg. Ich hatte mich vielleicht an einen Strohhalm geklammert, aber ich war so davon überzeugt gewesen, dass mein Traum etwas bedeutet hatte. »Bist du sicher? Sebastian Fairfax?«
Verwunderung blitzte in Cals Gesicht auf. »Fairfax?«, fragte er. »Meinst du Fairfax James?«
»Ich – ich weiß nicht … vielleicht. Wer war er?«
Cal sah sich vorsichtig um. »Mein Vater hat mir von ihm erzählt, bevor er gestorben ist. Er hat gesagt, dass er diese Tradition weitergeben müsste. Fairfax James war, na ja, eine Art Legende für uns. Er war ein Beschwörer, eine Art wandernder Magier.«
»Oh, mein Gott …«
»Fairfax ist eine Weile mit unserer Familie gereist, vor langer Zeit, noch bevor ich geboren wurde, und ist bei Jahrmärkten und Aufführungen aufgetreten. Dann hat es irgendwelchen Ärger gegeben – ich weiß nicht, was es war –, und er ist verschwunden, aber nicht, ohne vorher meiner Familie zu helfen. Eine Tat, die eines Bruders würdig war, wie mein Dad sagte.«
»Eines Bruders – das ist genau das, was Sebastian gesagt hat! Also, wann hat er deine Familie gekannt?«, fragte ich beklommen.
»Das ist ja das Unheimliche. Dad hat sich daran erinnert, dass er Fairfax gesehen hat, als er selbst noch ein Kind war. Fairfax muss damals etwa zwanzig Jahre alt
gewesen sein. Aber Dad hat gesagt, dass mein Großvater ihn auch gekannt hat, viele viele Jahre früher, und trotzdem war Fairfax auch damals im gleichen Alter. Er verändert sich nicht, er taucht einfach nur für eine Weile auf und verschwindet dann wieder. Es heißt, dass es jeder Generation meiner Familie bestimmt ist, ihn zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt ihres Lebens zu treffen. Deshalb kommen wir immer wieder hierher. Für den Fall, dass er uns braucht.« Cal machte ein trotziges Gesicht. »Für den Fall, dass er von den Toten zurückkommt.«
»Das ist er. Fairfax James ist Sebastian; er muss es sein!«
»Aber was hat das mit euch zu tun?«, fragte Cal erstaunt.
»Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber wir kennen ihn«, sagte Sarah.
»Und er hat mir eine Art Nachricht geschickt«, fügte ich schnell hinzu. »Er sagte, seine Brüder würden mir helfen, und ich glaube, das muss etwas mit deiner Familie zu tun haben. Ich muss ein Feuersymbol finden, etwas, das mit Feuer zu tun hat – irgendeinen Gegenstand oder so was. Weißt du, was das sein könnte?«
Cal runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf. »Tut mir leid. Mir fällt nichts ein.« Er sah uns argwöhnisch an. »Seid ihr sicher, dass das ernst ist? Ihr nehmt mich nicht auf den Arm?«
»Ich verspreche dir, Cal, dass es absolut ernst ist«, sagte Sarah. »Ich schwöre bei allem, das kostbar ist, bei Marias Andenken …«
Seine Miene wurde weicher. »Okay, Zigeunermädchen. Wie wäre es, wenn du mitkommst und meine kleine
Schwester kennen lernst? Du kannst ihr dein Bild zeigen und mir mehr über all das erzählen. Wenn Fairfax wirklich zu unserer Familie zurückgekehrt ist, möchte ich bereit für ihn sein.«
Er hielt Sarah seine Hand hin. Sie zögerte, dann nahm sie sie. »Danke. Das würde ich gerne tun.«
Cal wandte sich an uns. »Keine Sorge. Ich bringe sie zur Schule zurück, bevor es dunkel wird.« Sie gingen in Richtung des Lagers davon, und Helen und ich machten uns auf den Weg zurück zur Schule. In meinem Kopf jagten sich die Gedanken. Es war gut, dass wir Cal kennen gelernt hatten, und auch gut, das Licht in Sarahs Augen zu sehen, als sie mit ihm gesprochen hatte, aber ich war dem, was ich brauchte, immer noch keinen Schritt näher gekommen. Ich kickte frustriert einen Stein davon, der auf dem Weg lag. Sebastian hatte die Zigeuner einst gekannt, so viel war klar; aber wie sollten sie helfen können? Und was war das Feuerzeichen?
Mein Magen verkrampfte sich vor Angst. Ich versuchte, nicht an das zu denken, was mit Sebastian geschehen konnte: wie das Licht in seinen Augen verblasste, wie die
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