GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
mit. Sie hörte nur noch, daß sie sterben mußte.
»Bitte«, flehte sie schluchzend. »Bitte…«
Ihr Mann kannte keine Gnade. Mit einer herrischen Bewegung gab er den beiden Wärtern ein Zeichen.
Sie wußten, was sie zu tun hatten.
Brutal schleiften sie die um Gnade flehende Frau auf das Leichenhaus zu.
Die Erbauer hatten eine Öffnung gelassen. Gerade groß genug, daß sich ein Mensch hindurchzwängen konnte.
Die Männer hoben die Frau an und schoben sie durch die Öffnung. Dann traten sie zurück.
Die letzte Arbeit wollte Istvan Laduga selbst verrichten. Steine lagen bereit. Auch Bindemittel.
Langsam mauerte der Mann die Öffnung zu. Er kümmerte sich nicht um das verzweifelte Schluchzen seiner Frau. Stein auf Stein setzte er.
Als die Öffnung nur noch kopfgroß war, sah er plötzlich das Gesicht der Lady vor sich.
Die Männer, die ihm mit Fackeln leuchteten, traten unwillkürlich zurück.
Das einst so schöne Antlitz der Lady war zu einer grauenhaften Fratze geworden.
»Ja, du hattest recht!« schrie sie ihrem Mann ins Gesicht. »Ich bin eine Hexe. Ich werde mich rächen. Du wirst mich nicht töten können. Ich komme wieder und nehme dich mit in das Schattenreich. Denke daran!«
Ein hysterisches Gelächter folgte ihren Worten.
Den Zuschauern gefror das Blut in den Adern, als die Frau schrie: »Auch ihr werdet meine Rache spüren. Alle, die ihr dabei wart. Das Unglück wird über eure Kinder und Kindeskinder kommen. Seid verflucht!«
Mit einer fast hektischen Eile mauerte Istvan Laduga den letzten Teil der Öffnung zu.
Danach war Stille.
Die Zuschauer gingen wieder. Voller Unbehagen, denn ein böser Fluch war gesprochen worden.
Noch Wochen später wurde Istvan Laduga von Schlaflosigkeit geplagt. Manchmal glaubte er, gellende Schreie aus dem Totenhaus zu vernehmen.
Aber das war wohl nur Einbildung.
Dann hörten auch die Schreie auf, und Lady Laduga geriet in Vergessenheit…
***
Sechs Jahre später heiratete Istvan Laduga eine polnische Gräfin.
Es wurde ein rauschendes Fest. Eine Hochzeit, wie sie das Land selten erlebt hatte, wurde gefeiert.
Istvan Laduga, durch kostspielige Hobbys tief verschuldet, hatte sich mit dieser Hochzeit saniert. Die Gräfin war zwar 13 Jahre älter als er und auch nicht besonders schön, aber sie hatte Geld. Und das war im Augenblick für Istvan Laduga das wichtigste. Außerdem konnte er sich ja noch Mätressen halten.
»Laß uns gehen«, sagte die neue Gräfin Laduga kurz nach Mitternacht zu ihrem Mann.
Istvan Laduga hatte zwar noch keine Lust, aber um seine Frau nicht schon jetzt zu verärgern, stimmte er zu.
Gemeinsam betraten sie ihr neues Schlafzimmer. Die Gräfin hatte darauf bestanden, neben ihrem Gatten zu schlafen. Und Istvan Laduga hatte zähneknirschend zugestimmt.
Ein Diener entzündete die Kerzen, die in kostbaren Kandelabern standen.
Eine Zofe half der Gräfin beim Ausziehen.
Dann waren die Neuvermählten allein.
»Du kannst schon ins Bett gehen«, sagte die Gräfin. »Ich komme gleich wieder.«
Istvan Laduga nickte ihr lächelnd zu.
Langsam zog er sich aus und legte sich in das breite Bett mit dem türkisfarbenen Baldachin darüber.
Er wartete. Fünf Minuten, zehn Minuten.
Langsam wurde er schläfrig.
Irgend etwas schreckte ihn auf. Ein kalter Hauch drang plötzlich in das Schlafzimmer.
Die Kerzen flackerten, verlöschten ganz…
»Bist du es, Elena?« rief Istvan Laduga.
Keine Antwort.
Mit einem Knall fiel die Zimmertür ins Schloß. Laduga hatte niemanden bemerkt, der vielleicht ins Zimmer gekommen sein konnte.
Er setzte sich hin. Seine Hand fuhr zu der Klingelschnur, um die Diener herbeizuläuten.
Jemand faßte sein Handgelenk. Es war ein schmerzhafter Griff.
Unwillkürlich schrie Laduga auf.
Er wandte den Kopf… und sah in das Gesicht seiner ersten Frau!
Dann hörte er auch schon die Stimme: »Denk an das Versprechen, Istvan. Erinnere dich an meinen Fluch. Ich werde ihn einlösen. Mit dir fange ich an.«
Die Angst schnürte Istvan Laduga fast die Kehle zu. Er wollte sich umdrehen, um nicht in dieses Gesicht sehen zu müssen.
Ohne Erfolg. Er fand nicht die Kraft dazu.
Lady Laduga sah aus wie früher. Noch immer trug sie das Totengewand. Doch diesmal war ihr Gesicht noch bleicher als sonst. Nur die Augen leuchteten wie schwarze Diamanten.
»Ich bin aus dem Totenreich zurückgekehrt, um dich zu holen. Heute, am Tag deiner Hochzeit«, sagte die Lady.
Die Angst preßte Istvan Laduga weiterhin die Kehle zu. Nur seine Augen
Weitere Kostenlose Bücher