GK0025 - Das Leichenhaus der Lady L.
war aufgeregt wie nie in seinem Leben. Aber es kam noch etwas anderes hinzu.
Die Angst.
Frank Gibson lief einige Schritte und blieb plötzlich stehen.
Etwas war ihm zu Bewußtsein gekommen. Linda, sie konnte ihn ja nicht rufen. Sie war tot.
Oder…?
An eine andere Möglichkeit wagte Frank Gibson gar nicht zu denken. Ganz von allein fielen ihm jetzt die Geschichten der älteren Leute ein. Die Erzählungen von den Toten, die zurückkamen, deren Seelen im Grab keine Ruhe finden konnten.
Frank Gibson hatte auf einmal das Gefühl, daß dieser Ruf aus dem Jenseits zu ihm gedrungen war.
Da! Etwas schwebte zwischen den Bäumen. Etwas Großes, Weißes.
Waren es Nebelschleier? War es Einbildung?
Der weiße Fleck kam näher, wurde deutlicher. Eine Gestalt kristallisierte sich heraus.
Eine Frauengestalt!
In einem langen weißen Kleid. Die weiße Frau!
Es gab sie wirklich. O Gott!
Frank merkte nicht, daß seine Knie zitterten. Gebannt starrte er auf den Geist, der in Kniehöhe zwischen den Bäumen über dem Boden schwebte.
Auf ihn zukam…
Wie bei Linda. Und Linda war tot. Sollte er auch?
Frank riß die Taschenlampe hoch, schaltete sie ein.
Der Lichtstrahl bohrte sich durch die Dunkelheit, fing die schemenhafte Gestalt ein.
Ein grinsender Totenschädel starrte Frank entgegen.
Doch nur für einen Augenblick. Der Schädel verwandelte sich, Haut wurde sichtbar, dann Augen, Nase, Mund, Kinn, Ohren.
Der Totenschädel hatte sich in ein Gesicht verwandelt.
In ein Frauengesicht.
In Lindas Gesicht.
»Linda!« Frank Gibson schrie den Namen seiner Freundin heraus.
Sie kam auf ihn zu. Lautlos, unheimlich. Frank konnte jede Einzelheit ihres Gesichtes erkennen, genau wie früher, als sie noch…
Aber Linda war tot!
Franks Hände zitterten. Die Taschenlampe fiel auf den Boden, brannte dort weiter.
Lindas Lippen bewegten sich, wollten etwas sagen.
Frank Gibson vergaß alles. Er sah nur seine Linda, die ihn jetzt anlächelte.
Frank streckte beide Arme aus. »Komm, Linda«, flüsterte er, »komm zu mir.«
Keine innere Stimme warnte ihn mehr. Niemand machte ihm bewußt, daß Linda ein Geist war.
Ein Geist, der morden wollte, der Blut brauchte…
Linda schwebte immer näher.
Jetzt hatte sie Franks ausgestreckte Arme erreicht, berührte seine Fingerspitzen.
Ein kalter Hauch umfing Frank Gibson.
Todeshauch.
Der junge Mann fühlte nichts zwischen seinen Händen. Er konnte Linda nicht greifen.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in das Gesicht der Toten, das immer näher kam, schon dicht vor seinen Lippen schwebte.
»Linda!« flüsterte Frank.
Sie lächelte.
Zwei Krallenhände legten sich auf Franks Schultern, strichen an seinen Armen entlang, dann über seine Brust.
Frank Gibson stand wie ein Denkmal. Konnte sich einfach nicht rühren. All seine Gedanken waren plötzlich ausgeschaltet. Seine Lippen bewegten sich, wollten etwas sagen, doch kein Laut drang aus seinem Mund.
Nur diese Kälte. Frank fühlte, wie sie durch seine Glieder fuhr, wie sie ihn unbeweglich machte.
Die Krallenhände legten sich um Franks Hals.
Noch immer ahnte Frank nichts Böses.
Da drückten die Totenhände zu. Gnadenlos.
Jetzt erst wachte Frank auf. Ein heiseres Röcheln entrang sich seiner Kehle.
Panik sprang ihn an. Plötzlich wußte er ganz genau, was seine Stunde geschlagen hatte.
Er mobilisierte alle Kräfte. Stemmte sich gegen den Druck.
Ohne Erfolg. Wie Eisenklammern lagen die Totenhände um seinen Hals.
Die Augen quollen dem jungen Mann fast aus den Höhlen. Er bekam keine Luft mehr. Der Kopf drohte ihm zu platzen.
Frank Gibson sank in die Knie.
Die würgenden Totenhände hielten weiter seinen Hals umklammert.
Verzweifelt strampelte Frank mit den Beinen. Seine Arme schlugen wild in der Luft umher. Es war ein letztes Aufbäumen. Ein Versuch, dem drohenden Tod zu entrinnen.
Langsam schwand Frank Gibsons Bewußtsein. Das letzte, was er wahrnahm, war Lindas Gesicht, das zu einer schrecklichen Grimasse verzerrt war und langsam zerfiel, bis es wieder ein grinsender Totenschädel war.
Wenig später war Frank Gibson tot.
Die Geister hatten ein neues Opfer in ihr Schattenreich geholt.
***
Konstabler Sandford betrat jeden Morgen pünktlich um acht Uhr sein spartanisch eingerichtetes Büro. Meistens schlief er dann bis um zehn Uhr weiter und machte anschließend seine Runde. Mittags aß er zu Hause.
Er hatte gerade seine Uniformjacke an den Haken gehängt, als die Türklingel schrillte. »Mach mal auf, Brenda«, rief der
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