GK0031 - Sakuro, der Dämon
Sheila. »Das meiste steht übrigens in Museen.«
Die Tür zu Kenneth Brandons Zimmer stand halb offen.
Sheila bemerkte Johns fragenden Blick und sagte: »Ich habe alles liegen- und stehenlassen und fluchtartig das Haus verlassen. Es war niemand nach mir hier.«
John zuckte die Achseln. »Man kann nie wissen.«
Das Zimmer des jungen Brandon sah unordentlich aus. Das Bett war zerwühlt, aufgeschlagene Bücher lagen herum, und auf dem Boden entdeckte John eine zertretene Zigarette.
Langsam ging der Scotland-Yard-Inspektor durch den Raum, trat an das hohe Bücherregal und zog die alten Schriften hervor. Die Bücher waren allesamt in einer Sprache geschrieben, die John nicht verstand. »Das ist Altägyptisch«, sagte Sheila. »Kenneth konnte es lesen.«
John wollte die Bücher schon wieder wegstellen, als ihm etwas auffiel. Zwischen einigen Werken der griechischen Mythologie entdeckte er einen schmalen Schnellhefter.
John zog ihn hervor. Er schlug ihn auf und fand eine Anzahl engbeschriebener Seiten. »Wissen Sie, was das ist?« wandte er sich an Sheila. Das Girl kam näher, blickte auf den Schnellhefter und schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung. Aber da fällt mir ein, daß Kenneth manchmal von einer Übersetzung gesprochen hat. Er tat dabei immer sehr geheimnisvoll. Vielleicht hängt es damit zusammen.«
»Möglich«, erwiderte John, setzte sich auf die Bettkante und schlug die erste Seite auf.
Die Überschrift sprang ihm förmlich ins Gesicht: »Sakuro, Dämon mit den blutigen Augen«
John atmete tief durch. Sheila, die ihm über die Schulter geblickt hatte, stieß einen leisen Schrei aus.
»Ich glaube, wir kommen dem Rätsel langsam näher«, sagte John. »Diese Aufzeichnungen hier werde ich lesen. Und zwar noch in dieser Nacht. Ich…«
»Pst. Haben Sie nicht gehört, Mr. Sinclair?«
»Was?«
»Das Stöhnen. Mein Gott.«
Sheila Hopkins stand vornübergebeugt und lauschte. John legte den Schnellhefter zur Seite und spitzte ebenfalls die Ohren.
Da! Jetzt hörte er es auch.
Es war ein gräßliches Stöhnen und schien aus der Unendlichkeit zu kommen.
Sheila faßte nach Johns Arm. »Ich habe Angst, Mr. Sinclair«, flüsterte sie, »schreckliche Angst.«
Johns Körper spannte sich. Seine Augen suchten das Zimmer ab, tasteten sich in jeden Winkel.
»Sheilaaa!«
Die Stimme klang seltsam dumpf und kam aus unendlicher Ferne.
»Sheila! Rette mich! Ich habe solche Schmerzen! Sheilaaa…!«
Das Mädchen schrie auf. Ihre Hände krallten sich in Johns Jackett. »Das war Kenneth,« stöhnte sie. »Kenneth Brandon! Mr. Sinclair, das war die Stimme meines Verlobten!«
Sheila Hopkins brach zusammen. Bevor sie jedoch auf den Boden fiel, konnte John sie auffangen. Behutsam legte er das Mädchen auf das breite Bett. Er selbst setzte sich auf einen Stuhl und wartete darauf, daß diese unheimliche Stimme wieder erklang.
Aber nichts geschah.
Schließlich griff John Sinclair nach dem Schnellhefter und begann zu lesen.
Je weiter er las, um so mehr faszinierte ihn diese Geschichte. John Sinclair geriet in einen regelrechten Rausch. Er hatte plötzlich das Empfinden, daß er alles, was er las, selbst miterleben würde. Er fühlte sich in die Zeit des alten Ägypten versetzt…
***
In der großen Tempelhalle war es totenstill. Mit starren Gesichtern standen 50 Krieger in den kleinen Nischen, die in das Gestein gehauen waren. Die Männer, nur mit Lendenschurz bekleidet, hielten Lanzen und brennende Fackeln in den Fäusten. Der dunkelrote Lichtschein zuckte über die mit Öl eingeriebenen Gesichter der Krieger und gab diesen ein dämonisches Aussehen. Mitten in der Tempelhalle stand ein Opferstein. Er war wuchtig, und der helle Fels war an vielen Stellen dunkel von geronnenem Blut.
Auf diesem Stein lag ein Krummschwert, dessen Griff mit Edelsteinen verziert war. Plötzlich ertönte ein Gong. Zwei große Steinquader schoben sich an der Stirnseite der Halle wie auf einen geheimen Befehl hin auseinander und gaben einen mannshohen Durchgang frei.
Monotoner Singsang durchdrang die Tempelhalle.
Die Krieger traten zwei Schritte vor und stellten sich so, daß sie den Eingang zugewandt waren.
Eine seltsame Prozession bewegte sich in die Tempelhalle. Flankiert von sechs muskulösen Bewachern schritt hoch aufgerichtet ein Mann auf den Opferstein zu. Der Mann steckte in einem blutroten Gewand und hatte sein langes Haar mit einem goldfarbenen Stirnband zusammengebunden. Dieser Mann war Sakuro! Vor dem Opferstein blieb die
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