GK0031 - Sakuro, der Dämon
halbangerauchte Zigarette in den Ascher und raste nach draußen auf den Flur.
»Sheila!«
»Hier«, wimmerte das Mädchen. John sah sich um und entdeckte eine offenstehende Tür am Ende des Flures.
Das Badezimmer. Wie der Blitz rannte John darauf zu. Sheila lehnte mit dem Rücken an der gekachelten Wand. Sie hatte ihr Gesicht in beide Hände vergraben und schluchzte hemmungslos.
Johns Blick glitt gedankenschnell durch das Badezimmer… und… Fast stockte ihm der Herzschlag. Neben der Wanne lag ein junger Mann. Es war Kenneth Brandon…
***
John kannte den Wissenschaftler von einer Fotografie her, die ihm Sheila gezeigt hatte.
Langsam ging der Inspektor auf Kenneth zu.
Brandon lag auf der Seite, das Gesicht der Wanne zugewandt.
Vorsichtig drehte ihn John auf den Rücken und zuckte gleichzeitig entsetzt zurück.
Kenneth Brandon besaß keine Augen mehr!
Jemand hatte sie ihm ausgestochen.
John Sinclair zog scharf die Luft ein. Bilder tauchten vor seinen Augen auf. Er sah die Szene, die er vor einer halben Stunde noch gelesen hatte, ganz genau vor sich.
Ein Sklave hatte Sakuro die Augen ausgestochen.
Und jetzt dieses.
Grauenhaft, unbegreiflich.
John deckte Kenneth Brandons Gesicht mit seinem Körper ab, damit Sheila dieser Anblick erspart blieb. Dann fühlte er nach dem Herz des Mannes.
Es schlug nicht mehr.
Aber war Kenneth Brandon wirklich tot? Ging es ihm vielleicht wie seinem Vater?
John begann zu überlegen. Kurz vor der Verbrennung war dieser gräßliche Schrei aus dem Sarg gekommen. John hatte angenommen, daß in dem Sarg ein Scheintoter gelegen hatte. Aber kann ein Mensch wie Kenneth, dem man beide Augen ausgestochen hatte, überhaupt noch leben?
John holte einen kleinen Spiegel aus der Tasche und hielt ihn gegen den Mund des Mannes.
Die Fläche blieb klar.
Auch bei leisestem Atmen hätte sie beschlagen müssen.
Der Scotland-Yard-Inspektor stützte sich am Rand der Wanne hoch. Sheila hatte ihren Schock noch immer nicht überwunden.
John legte seinen Arm um ihre Schultern. »Kommen Sie, Sheila.«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Aber Kenneth. Wir können ihn doch nicht einfach so liegenlassen. Wir müssen etwas tun. Er ist…«
»Ich werde meine Dienststelle anrufen, Miß Sheila«, sagte John. »Wir haben Spezialisten, die sich mit Ihrem Verlobten beschäftigen können.«
Sheila blickte John aus tränennassen Augen an. »Ja, ist er denn nicht tot?«
»Ja und nein. Aber das erkläre ich Ihnen später. Ich muß jetzt telefonieren.«
»Im Flur steht ein Apparat. In der kleinen Nische dahinten auf dem Tisch.«
»Danke.«
»Ich werde mit Ihnen gehen, Mr. Sinclair. Freiwillig bleibe ich keine Sekunde länger allein.«
»Das kann ich verstehen.« John nahm den Hörer auf und fragte: »Kann man von hier aus durchwählen?«
»Ja.«
Mit dem rechten Zeigefinger wählte John die erste Zahl. Die zweite Zahl.
Und plötzlich erlosch das Licht.
Sheila Hopkins schrie leise auf. Zitternd preßte sie sich gegen John Sinclair.
»Was immer geschieht, Miß Hopkins, behalten Sie vor allen Dingen die Nerven, und bleiben Sie immer bei mir.«
John hatte unwillkürlich leise gesprochen.
»Ja«, hauchte das Girl.
Irgend jemand mußte die gesamte Stromversorgung lahmgelegt haben, denn auch das Telefon gab keinen Laut mehr von sich.
Die rabenschwarze Finsternis lag wie ein Teppich in dem Haus.
»Was werden Sie jetzt tun?« flüsterte Sheila.
»Erst mal abwarten. Und vor allen Dingen hier stehenbleiben, Miß Hopkins.«
»Meinen Sie, dieser Sakuro kommt?«
»Vielleicht«, erwiderte John.
John versuchte seine Nerven zu beruhigen, konzentrierte seine Sinne, achtete auf jedes Geräusch.
Doch zunächst geschah nichts.
Dann, nach einigen Minuten, spürten John und Sheila einen kalten Hauch, der über ihre Körper glitt.
»Was ist das?« flüsterte Sheila ängstlich.
»Sakuro kündigt sein Kommen an.«
Dann knarrte eine Tür. Es war die zum Badezimmer.
Johns Kopf ruckte herum. Er trat einen Schritt vor, um besser sehen zu können.
Im gleichen Augenblick fühlte er einen gräßlichen Schmerz. Er hatte das Gefühl, eine Stahlklammer würde ihn zerdrücken. Neben ihm stöhnte Sheila auf.
John sah einen Mann aus dem Badezimmer kommen. Kenneth Brandon. Die leeren Augenhöhlen waren auf John gerichtet. Der Inspektor wollte irgend etwas sagen, doch seine Stimme war auf einmal weg.
Statt dessen drang ein gräßliches Gelächter an seine Ohren. Die ganze Welt schien plötzlich zu schwanken, sich zu
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