GK0117 - Wenn der Werwolf heult
eine Durchsuchung vornehmen?«
»Ja.«
»Haben Sie eigentlich einen Durchsuchungsbefehl?«
»Wenn Sie nichts zu verbergen haben, ist dieses Papier doch überflüssig.«
»Das stimmt natürlich auch, Herr Oberinspektor. Also gut, gehen wir.«
Cazalis erhob sich von seinem Stuhl.
»Hinterher werden Sie merken, wie lächerlich Ihre Verdächtigungen waren. Bitte.« Cazalis deutete auf die Tür.
»Nach Ihnen, Doktor.«
»Ganz wie Sie wollen. Als Polizist muß man wohl von Natur aus mißtrauisch sein«, sagte Cazalis, als er an John vorbeiging.
»Ja, dann lebt man länger.«
Und dann wurde John doch noch überrascht. Cazalis war schon an der Tür, als er urplötzlich herumwirbelte. Alles ging so schnell, daß John kaum noch reagieren konnte. Wie ein Fallbeil raste Cazalis’ Arm auf ihn zu. John sah zwischen den Fingern der Hand etwas blitzen. Er versuchte, sich im letzten Moment zur Seite zu werfen, doch es war zu spät. Cazalis’ Hand knallte gegen seine Schulter. John spürte einen Stich, und im nächsten Augenblick erfaßte ihn ein Schwindel. Die Wände, das Zimmer, die Möbelstücke – alles drehte sich vor seinen Augen.
Dann raste der Boden mit einer ungeheuren Geschwindigkeit auf John Sinclair zu.
Bevor er aufprallte, war der Oberinspektor schon bewußtlos. Cazalis war einen Schritt zur Seite getreten, um nicht von dem stürzenden Körper gestreift zu werden. Jetzt blickte er lächelnd auf seine rechte Hand. Zwischen Mittel- und Zeigefinger hatte er eine kleine Spritze versteckt gehabt, nicht größer als der Daumen. Wie die Spritze wirkte, sah man an John Sinclair, der regungslos auf dem Boden lag.
Cazalis bückte sich. Seine Hand fuhr unter Johns Jackett und kam mit der Beretta wieder zum Vorschein.
»Das hattest du dir so gedacht«, sagte Cazalis, ging zu seinem Schreibtisch und legte die Waffe in die Schublade.
Einen Augenblick lang starrte er auf die geöffnete Lade. Zwei Spritzen befanden sich darin. Sie enthielten das von Cazalis hergestellte Serum, das Menschen zu Bestien machte. Cazalis nahm eine Spritze an sich.
Er lächelte zynisch, als er sagte: »Mal sehen, ob dieses Serum auch bei einem Oberinspektor anschlägt…«
***
Der dritte Werwolf war noch frei!
Ungesehen hatte er es geschafft, aus der Klinik zu entkommen.
Jetzt trieb er sich im Parkgelände herum. Es waren einige Patienten unterwegs, und die Mordgier überfiel den Werwolf wie ein heftiger Rausch.
Doch er hielt sie zurück.
Irgend etwas warnte ihn. Ein Instinkt, ein Gefühl. Wenn er sich jetzt zeigte, konnte es unter Umständen das Ende für ihn bedeuten. Es waren zu viele Menschen da.
Nein, seine Chance würde noch kommen.
Die Bestie hielt sich immer im Schatten der Büsche. Einmal liefen ihm zwei Frauen über den Weg. Der Werwolf konnte nicht mehr ausweichen.
Die Frauen erstarrten vor Schreck. Doch nur für Sekunden, dann fingen sie an zu schreien.
Jetzt mußte er sie töten.
Doch auch diesmal spielte das Schicksal der Bestie einen Streich. Mehrere Spaziergänger, alarmiert durch die Schreie, tauchten plötzlich auf.
Der Werwolf zog sich blitzschnell zurück und verschwand hinter einer Baumgruppe.
Schon bald hatte er den Zaun erreicht, der tagsüber nicht unter Strom stand. Tatzen kratzten über das Gitter. Dann begann der Werwolf, daran hochzuklettern.
Er war gewandt wie ein Artist. Geschmeidig überkletterte er die obere Kante und ließ sich an der anderen Seite hinuntergleiten. Den letzten Yard sprang er. Es gab einen dumpfen Laut, als er auf dem Boden landete.
Die Horrorgestalt lauschte. Niemand hatte etwas bemerkt. Schnell verschwand der Werwolf in dem schützenden Wald. Ein Reh kreuzte seinen Weg.
Der Werwolf stieß ein höllisches Fauchen aus und schnappte nach dem Tier.
Das Reh konnte nicht mehr ausweichen. Qualvoll starb es unter den Krallen der Bestie.
Die tierische Mordmaschine lief weiter. Mit Brachialgewalt stürmte sie durch das Unterholz.
Die Tiere des Waldes flohen in panischem Schrecken. Sie spürten immer als erste die drohende Gefahr. Immer tiefer drang der Werwolf in den Wald ein. Plötzlich blieb er stehen.
Seltsame Geräusche waren an seine Ohren gedrungen. Axtschläge hallten durch den Wald. Dazwischen das grelle Kreischen einer Motorsäge.
Vorsichtig bewegte sich der Werwolf weiter. Er achtete jetzt auf jedes Geräusch.
Der weiche Humusteppich dämpfte die Schritte des zottigen Ungeheuers.
Weit öffnete die Bestie ihren Rachen, drehte die Schnauze in den Wind. Der Geruch von
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