GK0137 - Das Todeskabinett
Straße hinaus, wo diese Janet Sturgess mit einem Mann sprach, der in einem Bentley saß.
»Der will bestimmt zu uns«, sagte Lydia und schob die Gardine ein kleines Stück zur Seite.
»Der Wagen hat ein Londoner Kennzeichen«, bemerkte Emily und faßte nach dem Arm ihrer Zwillingsschwester. »Ob der Kerl vielleicht von der Polizei ist?«
»Wahrscheinlich.«
»Und was machen wir jetzt?« Emilys Stimme klang belegt. Ihre Zungenspitze huschte aufgeregt über die trockenen Lippen. Ein Zeichen, daß die Frau nervös war.
Lydia wandte ihrer Schwester kurz das Gesicht zu. »Abwarten und die Ruhe behalten. Vor allen Dingen du. Du gehst jetzt zu Larry hoch und schärfst ihm noch einmal ein, was er zu antworten hat, falls der Polizist ihm Fragen stellen sollte.«
»Ja, Lydia, das werde ich sofort tun.« Emily Bradford war froh, von hier unten verschwinden zu können. Mit schnellen Schritten lief sie die Treppe hoch.
Lydia beobachtete weiter. Der Mann hatte den Bentley verlassen. Er sah gut aus, das mußte selbst Lydia Bradford anerkennen. Er war groß, blond und hatte breite Schultern. Sein blaugrauer Anzug saß wie angegossen, und die einfarbige Seidenkrawatte zu dem leicht getönten Hemd vervollständigte den guten Gesamteindruck.
Der Mann sprach noch einige Worte mit Janet Sturgess und trennte sich dann von ihr.
Lydia Bradford atmete auf. Sie hatte schon gedacht, er würde das Girl mitbringen. Es hätte unter Umständen Schwierigkeiten bereiten können.
Der Fremde kam geradewegs auf das Haus zu. Sein Gang war kraftvoll und federnd, und auch die Narbe im Gesicht des Mannes wirkte keineswegs störend. Das Gegenteil war eher der Fall. Der Fremde sah aus, als könne man ihm so leicht nichts vormachen.
Es klingelte.
Lydia Bradford ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor sie zur Tür ging. Es sollte nicht so aussehen, als hätte sie auf den Besuch gewartet.
Zwei blaue Augen musterten Lydia freundlich, als sie die Tür öffnete.
»Miss Bradford?« fragte der Mann mit einer angenehm dunklen Stimme.
»Ja, ich bin Lydia Bradford. Kann ich etwas für Sie tun, Mister?«
John Sinclair zückte seinen Dienstausweis. »Ich bin Oberinspektor Sinclair von Scotland Yard und hätte einige Fragen an Sie und an Larry Harker. Er wohnt doch hier, oder?«
»Sicher, Sir. Bitte kommen Sie herein.«
»Danke.«
Während des kurzen Dialogs hatte John die Frau schnell gemustert. Lydia Bradford trug einen grauen Pullover und einen Rock in der gleichen Farbe. Sie hatte ein hageres Gesicht, kleine, kalte Augen und einen schmalen Mund, dessen Winkel leicht nach unten hingen.
Lydia Bradford führte ihren Gast in den Livingroom. John nahm in einem Sessel Platz und lehnte ein angebotenes Getränk dankend ab.
Lydia Bradford setzte sich ihm gegenüber auf die Couch und plazierte beide Hände auf ihre Knie. Erwartungsvoll blickte sie den Geister-Jäger an.
»Sie werden sich den Grund sicherlich denken können, weshalb ich gekommen bin«, begann John.
»Ja, Sir. Es geht um den Mord an der Schülerin.«
»Richtig.« John Sinclair nickte bestätigend. »Milly Day soll laut Aussagen ihrer Klassenkameradinnen mit Ihrem Neffen Larry befreundet gewesen sein und sich sogar für die vergangene Nacht verabredet gehabt haben. Stimmt das?«
Lydia Bradford lächelte. »Ich weiß nicht, was man sich so in der Stadt erzählt. Wahr ist jedoch, daß Larry die vergangene Nacht hier im Haus verbracht hat.«
»Er hat sich also nicht mit Milly Day getroffen und ist mit ihr zu der Waldhütte gegangen?«
»Nein. Das können meine Schwester Emily und ich bezeugen.«
»Gut. Aber kann es sein, daß Larry heimlich das Haus verlassen hat? Ich meine, als Sie schon im Bett lagen.«
Lydia Bradford lachte auf. »Unmöglich. So etwas tut ein Larry Harker nicht. Er hätte es außerdem gar nicht nötig gehabt. Nein, diese Vorstellung schlagen Sie sich mal aus dem Kopf, Herr Oberinspektor.«
»Sie erlauben aber, daß ich Ihren Neffen selbst danach frage?« sagte John.
»Aber bitte schön. Einen Augenblick nur.« Lydia Bradford stand auf und ging zur Tür. »Larry! Emily!« rief sie. »Kommt doch bitte einmal runter.«
Lydia Bradford nahm wieder auf der Couch Platz. »Sie werden gleich hier sein«, sagte sie und nestelte mit ihren spitzen Fingern an einer gehäkelten Decke herum. »Wissen Sie, Herr Oberinspektor, die Leute hier reden viel und gerade Larry wird als Sonderling bezeichnet, weil er etwas anders ist als die anderen. Er ist musisch sehr begabt, und wir
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