GK0137 - Das Todeskabinett
Polizisten zugespielt. Sicher, er hatte seine beiden Tanten hintergangen, und ein paarmal schon war er nahe dran gewesen, alles zu verraten. Doch schließlich hatte er den Mund gehalten.
Zwei Seelen kämpften in Larrys Brust. Unruhig wanderte der junge Mann in seinem Zimmer auf und ab. Manchmal blieb er vor dem Fenster stehen und blickte nach draußen.
Eine blaugraue Wolkendecke bedeckte den Himmel. Der Wind hatte aufgefrischt und bog die kahlen Zweige der Büsche wie Federn.
Wenige hundert Yard von dem Haus entfernt begann der Sumpf. Er bildete einen grünbraunen Gürtel, und Larry Harker fiel wieder die Hütte ein, in der Millys Leiche gelegen hatte. Er sah den blutüberströmten Mädchenkörper vor seinem geistigen Auge, preßte die Hände zu Fäusten und murmelte: »Ja, ich habe richtig gehandelt. Ich werde mich mit diesem Oberinspektor treffen und ihm alles sagen.«
Larry setzte sich aufs Bett. Er fieberte nach einer Zigarette, doch ihm fiel ein, daß er keine mehr hatte. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. Er würde seinen Tanten einfach sagen, daß er sich Zigaretten holen wollte, so brauchte er nach keiner Ausrede zu suchen, um das Haus verlassen zu können.
Larry sprang auf und holte seinen Mantel aus dem Schrank. Es war ein dicker Stoffmantel mit hohem Pelzkragen.
Schnell lief Larry die Treppe hinab.
Vor der untersten Stufe stand seine Tante Lydia. Sie hatte die Schritte des jungen Mannes gehört. Ihre Augen weiteten sich, als sie sah, daß Larry sich den Mantel übergeworfen hatte.
»Du willst weg?« fragte sie.
Larry Harker blieb auf der zweituntersten Stufe stehen. »Ja, Tante Lydia. Ich möchte mir nur Zigaretten holen.« Larry wunderte sich, wie glatt ihm die Lüge über die Lippen kam. Nicht einmal rot war er geworden.
Lydia Bradford lächelte falsch. »Aber Junge«, sagte sie. »Du brauchst doch jetzt nicht mehr nach draußen zu gehen, Tante Emily wird dir welche besorgen. Geh wieder hinauf in dein Zimmer.«
»Nein!«
»Du widersprichst mir?« Lydia Bradford trat vor Schreck einige Schritte zurück. »Aber so kenne ich dich ja gar nicht. Was ist los mit dir?«
»Ich will endlich mal allein entscheiden, was ich zu tun habe«, sagte Larry. »Und nun laß mich durch.« Er ging auch die letzte Stufe hinunter.
»Du bleibst hier!« Lydia Bradfords Stimme klang scharf wie ein Peitschenknall. Ihre Augen hatten sich hinter der Brille zu Schlitzen verengt, und in den Pupillen tanzte ein böses Funkeln.
Larry war zusammengezuckt und blieb unwillkürlich stehen. »Du kannst mir das nicht verbieten, Tante Lydia«, sagte er gefährlich leise und mit zusammengepreßten Zähnen. »Ich mache, was ich will.«
»Das wollen wir doch mal sehen, du undankbares Subjekt!« kreischte Lydia Bradford. Sie hatte die Worte kaum ausgesprochen, da machte sie auf dem Absatz kehrt und lief zur Haustür, um abzuschließen und den Schlüssel einzustecken.
Doch Larry war schneller.
Er schnellte sich vom Boden ab und erreichte seine Tante kurz vor der Haustür. Hart riß er Lydia an der rechten Schulter herum.
Lydia Bradford schrie auf. Es war kein Schmerzschrei, sondern ein Schrei der Wut.
Aber noch gab sie nicht auf. Wieder warf sie sich auf die Tür zu.
Da schlug Larry mit der flachen Hand zu. Er traf die Frau an der Brust. Lydia Bradford wurde zu Boden geschleudert. Im gleichen Augenblick öffnete sich die Schlafzimmertür, und Emily kam – durch den Lärm angelockt – in den Flur gestürzt.
Sie sah ihre zappelnde Schwester am Boden liegen und wurde kreidebleich.
»Halte ihn auf!« schrie Lydia. »Los, tu doch was!«
Es war zu spät. Larry hatte schon längst die Tür erreicht und sie aufgerissen. Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte er nach draußen.
Emily Bradford blieb im Türrechteck stehen und starrte ihm nach. Sie wollte etwas sagen, doch sie brachte keinen Ton hervor.
Lydia hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt. Ihr Gesicht war haßverzerrt. Mit ausgestrecktem Arm stand sie da und hatte die rechte Hand zur Faust geballt. Wie eine wilde, von Haß und Rachsucht zerfressene Furie.
»Das wird er uns büßen!« schrie sie. »Ja, Larry Harker, das wirst du uns büßen.«
Sie gab der Tür einen Tritt, so daß sie krachend ins Schloß flog.
»Was ist denn geschehen?« fragte Emily. Sie hatte beide Hände auf ihre magere Brust gepreßt, als könne sie dadurch den pochenden Herzschlag abmildern.
»Was geschehen ist?« höhnte Lydia. »Er hört nicht mehr auf uns. Dieser Oberinspektor hat
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