GK0168 - Die Nacht des Schwarzen Drachen
meine Anordnungen, und an die halte ich mich. Basta. Man soll mir hinterher nur keine Vorwürfe machen.«
Captain Helder redete nicht mehr weiter. Aus dem Revier an der Brodwick Street erhielt er einen Anruf.
Helder hörte zu und wurde blaß, als der Anrufer das Gespräch beendete.
Lieutenant Bedell sah seinem Vorgesetzten an, daß etwas nicht stimmte.
»Was ist los, Sir?«
»In Chinatown geht es rund, Bedell«, sagte Helder mit rauher Stimme. »Überall rotten sich die Chinesen zusammen. Alle Anzeichen deuten auf einen Massenaufstand hin.«
»Und wir? Was sollen wir tun?« fragte Bedell.
»Gar nichts, verdammt. Sie haben schon ein Eisen im Feuer. Anscheinend halten sie diesen Sinclair für unbesiegbar…«
***
John Sinclair hatte den Bentley rückwärts in eine schmale Hauseinfahrt gesetzt und das Licht der Scheinwerfer gelöscht. So konnten er und Suko aus verhältnismäßig sicherer Deckung die Vorgänge auf der Straße verfolgen.
Der Geisterjäger fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Er würde, wenn alles klappte, bald vor einem mächtigen Dämon stehen, der genügend Einfluß besaß, um ihn vernichten zu können. Als Waffe hatte John nur seine mit Silberkugeln geladene Pistole, wobei noch fraglich war, ob die Kugeln überhaupt etwas gegen den Drachengott ausrichten konnten.
John Sinclair war laufend mit seinem Chef, Superintendent Powell, verbunden, der ihm auch die Lage am Soho Square schilderte. Das kleine Polizeirevier befand sich noch immer im Belagerungszustand.
Jetzt erkannte John Sinclair auch den Sinn der Operation. Die Gruppe der Drachendiener im Polizeirevier sollte von den tatsächlichen Vorgängen ablenken. Polizeieinheiten sollten sich dort konzentrieren, damit die anderen Diener des Drachen freie Bahn hatten.
Johns Blicke huschten immer wieder durch die breite Frontscheibe des Bentley. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite hatte sich eine Gruppe von sieben Chinesen versammelt. Sie standen dicht zusammen und tuschelten miteinander. Zwei Frauen waren darunter, die dem Bentley hin und wieder scheue Blicke zuwarfen.
John glaubte nicht daran, daß bereits alle Menschen vom dämonischen Gift des Drachen infiziert waren. Es gab sicherlich nur ein paar Führer, die andere mit Drohungen oder Versprechungen zwangen, sich dem Drachen anzuschließen.
So war es meistens. Nur wenige genügten, um die Massen aufzuwiegeln.
John warf einen Blick auf seine Uhr. Noch eine Stunde bis Mitternacht.
Sechzig Minuten Galgenfrist, dachte er.
Die Straße vor der Einfahrt war völlig dunkel. Der Himmel über London hatte sich bewölkt, filterte das Licht des Halbmondes. Keine Laterne brannte in der Straße, nicht eine Reklame schickte ihre bunte Werbung in die Nacht.
Das Chinesenviertel war tot.
Aber nur äußerlich.
Unter der Oberfläche brodelte ein geheimnisvolles, geisterhaftes Leben. John, der die Seitenscheibe heruntergedreht hatte, hörte flüsternde Stimmen, manchmal einen halblauten Ruf – dann war wieder Stille.
»Wenn sie sich alle versammelt haben, werden sie in den Drachentempel gehen«, sagte Suko plötzlich. Er hatte mindestens eine Viertelstunde lang nicht gesprochen, sondern nur schweigend durch die Scheibe gestarrt.
»Du meinst, wir müssen dann mit ihnen gehen«, sagte John. »Ja. Wir müssen ihnen wenigstens folgen. Ich habe keine Ahnung, wo der Tempel liegen könnte.«
»Vielleicht ist es der Waschsalon«, vermutete John. »Kann sein.«
»Da kommt ein Wagen«, sagte der Geisterjäger und stieß seinen Begleiter an.
Wie auf Kommando verließen die beiden Männer den metallicfarbenen Bentley.
Der Wagen – es war ein dunkler Mercedes – rollte im Schrittempo die Straße entlang und stoppte direkt vor dem Waschsalon.
John und Suko hatten sich in den Schatten einer Hausnische geduckt. Sie beobachteten gespannt das weitere Geschehen.
Die Türen des Mercedes schwangen auf.
Drei Chinesen verließen den Wagen. Die ersten beiden kannte John nicht, aber der dritte, der war ihm wohl bekannt.
Es war sein Freund Li Tse Feng!
Neben dem Geisterjäger stieß Suko scharf den Atem aus.
»Verstehst du das, Suko?« wisperte John.
»Nein.«
»Ich wage den Verdacht gar nicht auszusprechen, den ich habe«, meinte der Geisterjäger. »Aber wenn Li Tse Feng tatsächlich gemeinsame Sache mit dem Schwarzen Drachen macht…«
»Das würde er nie tun!«
Sukos Stimme klang so bestimmt, daß sich John einer weiteren Äußerung enthielt.
Mit gespannten Blicken beobachtete John Sinclair Li
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