Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
GK0168 - Die Nacht des Schwarzen Drachen

GK0168 - Die Nacht des Schwarzen Drachen

Titel: GK0168 - Die Nacht des Schwarzen Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Gebräuche seiner Ahnen nicht abgelegt. Er verband Vergangenheit und Gegenwart miteinander, verstand es, westlich zu denken und zu handeln und doch tief in der Tradition des alten China zu leben.
    Unbeweglich saß er auf seinem Stuhl, den Blick auf den geschlossenen Sarg gerichtet. Das Kerzenlicht streifte das Gesicht des Chinesen und spiegelte sich in den starren Pupillen wider. Nicht einmal die Atemzüge des Mannes unterbrachen die lastende Stille. Li Tse Feng war völlig in sich selbst versunken. Seine Gedanken weilten in der Vergangenheit. Das Leben seiner Tochter zog vor seinem geistigen Auge vorbei.
    Er hatte Suzy geliebt, genau wie ihre Mutter, die viel zu früh durch einen Autounfall ums Leben gekommen war. Suzy war das Ebenbild ihrer Mutter gewesen. Der Ausdruck des Gesichts, die langen schwarzen Haare und die Mentalhät, die schon beinahe an Sanftmütigkeit grenzte.
    Thermopanescheiben und schalldämpfende Türen hielten den Lärm von draußen fern und garantierten die ungestörte Ruhe. Li Tse Feng hatte seine Angestellten für drei Tage nach Hause geschickt. So lange würde die Trauerzeit dauern.
    Der kostbare Sarg war aus Eibenholz. Ein alter Freund hatte ihn Li Tse Feng gebracht. Sie hatten den Rumpf des Mädchens dann in seidene Tücher gewickelt und ihn in den ganz mit feinstem Samt ausgelegten Sarg gebettet.
    Doch so unbeteiligt, wie es nach außen hin den Anschein hatte, war Li Tse Feng nicht. In seinem Herzen wühlte der Haß. Haß auf den Schwarzen Drachen, der seine Tochter auf dem Gewissen hatte. Li Tse Feng wußte wohl um die Macht dieser Geheimorganisation, doch sie schreckte ihn nicht. Das Liebste, was er hatte, lebte nicht mehr, und somit war sein Leben auch sinnlos. Rachegedanken quälten ihn. Er wollte diesen grausamen Götzen vernichten, koste es, was es wolle.
    John Sinclair hatte er davon mit keinem Wort etwas gesagt.
    Sinclair war zwar ein Freund von ihm und ein guter Polizist, aber die Mentalität der Chinesen war ihm unbekannt. Nie würde er es schaffen, an den Schwarzen Drachen direkt heranzukommen, auch nicht mit Sukos Hilfe. Aber er, Li Tse Feng, hatte eine Chance. Längst hatte die Dunkelheit die Riesenstadt London umfangen, schickten bunte Leuchtreklamen ihre schreiende Werbung in die Nacht und machten sie so zum Tag.
    Anders bei Li Tse Feng. Er hatte die Vorhänge zugezogen, so daß kein störendes Licht von außen her in den Raum dringen und die Ruhe der Toten stören konnte.
    Plötzlich stand Li Tse Feng auf. Seine Bewegungen wirkten zeitlupenhaft, als würden seine Glieder an unsichtbaren Fäden hängen und gesteuert werden.
    Mit gemessenen Schritten umrundete Li Tse Feng seinen Schreibtisch und trat an einen schmalen, in der Wand eingelassenen Schrank.
    Dann knöpfte er sein rohseidenes Hemd auf und öffnete den kleinen Brustbeutel, der an einem Lederriemen um den Hals hing und gewisse Dinge barg, die nur Li Tse Feng persönlich etwas angingen.
    Aus dem Brustbeutel holte der Chinese einen kleinen Schlüssel.
    Er paßte zu dem Schrankschloß.
    Lautlos glitt die Tür nach außen, als Li Tse Feng sie aufgeschlossen hatte.
    Der Schrank war in zwei Hälften aufgeteilt, die wiederum an jeder Seite sechs Fächer aufwiesen.
    In einem der Fächer stand eine kleine Kassette.
    Sie war aus Holz. Farbige chinesische Schriftzeichen bedeckten den gewölbten Deckel.
    Behutsam nahm Li Tse Feng die Kassette an sich. Er trug sie zu seinem Schreibtisch und setzte sie dort behutsam ab.
    Dann öffnete er den Deckel.
    Die Kassette war mit blauem Samt ausgeschlagen. In einer kleinen Mulde lag ein etwa unterarmlanger Dolch mit kunstvoll gedrechselter Schneide.
    Der Dolch war aus Holz. Warm und sicher lag der Griff in der Hand, er war mit Schriftzeichen bemalt, Bannsprüche der Weißen Magie, die damals – im alten China – von Weisen und Zauberern benutzt worden waren.
    Li Tse Fengs Augen funkelten, als er sich den Dolch anschaute. Es war das Erbe seines Vaters, das einzige Stück, was er ihm hinterlassen hatte.
    Und doch stellte es einen ungeheuren Wert dar.
    Noch einmal klangen die Worte seines Vaters in Li Tse Fengs Geist nach.
    »Behüte diesen Dolch wie deinen Augapfel«, hatte der alte Mann auf dem Totenbett gesagt. »Es ist ein besonderes Stück. Geschaffen aus dem Holz der Eiche, die in einer Gewitternacht gefällt worden ist und deren Rinde den Zauberern zur Herstellung des magischen Pulvers gedient hat. Ich habe den Dolch von meinen Vorfahren geerbt. Er ist ein Heiligtum, und er wird

Weitere Kostenlose Bücher