GK201 - Der Hexer von Colombo
von einem kleinen Singhalesen freundlich geleitet. Er nahm Susan herzlich in seinem Haus auf. Die kleine Frau schaute mich ergriffen an und sagte, nachdem ich ihr Gepäck aufs Zimmer getragen hatte: »Der Himmel möge Sie beschützen, Mr. Ballard. Und – bitte… bewahren Sie Mimi vor Rajasinha.«
»Es wird alles gut«, sagte ich zu Susan Black, und sie setzte sich, legte die schmalen Hände in den Schoß, ihre Schultern sanken nach vorn, sie weinte lautlos vor sich hin.
Ich fuhr auf dem kürzesten Weg zu Rajasinhas Haus zurück.
Entschlossen betrat ich das Gebäude. Ich schmetterte die Tür hinter mir zu und rief Mimi. Sie reagierte nicht auf meine Rufe. Gereizt zuckte ich herum. Ich schwang die Faust hoch und drohte damit dem Gobelinbild. »Wenn du ihr auch nur ein einziges Härchen gekrümmt hast, bist du dran, Rajasinha!«
Hastig begab ich mich nach oben. Ich eilte durch sämtliche Räume. »Mimi!« rief ich immer wieder. »Mimi!«
Ob sie doch noch zur Vernunft gekommen war und das Haus verlassen hatte?
»Mimi!« Jetzt klang es schon zornig. Keine Spur von ihr im Obergeschoß. Auch im Erdgeschoß konnte ich die alte Dame nirgendwo entdecken. Da fiel mir auf, daß die Kellertür offen war. »Mimi!« schrie ich hinunter. »Warum antworten Sie nicht!«
Ich setzte meinen Fuß auf die erste Stufe der Kellertreppe. Die Wände glänzten feucht. Modergeruch legte sich auf meine Lungen. Gespannt stieg ich Stufe um Stufe tiefer. Zwischendurch lauschte ich immer wieder kurz. Stille umfing mich. Eine gläserne Stille, die jeden Moment klirrend zerbrechen konnte.
Die letzte Stufe. Erdiger Boden unter meinen Füßen.
Durch schmale Lüftungsschlitze sickerte wenig Tageslicht. Meine Augen gewöhnten sich rasch an die Dunkelheit. Der Keller war ein kleiner Irrgarten. Ein verbautes Winkelwerk. Ziegelwände hier und da. Immer wieder machte der Gang einen Knick. Mal nach links, dann nach rechts.
Plötzlich ein Geräusch hinter mir.
Ich wirbelte herum.
Mimi!
Ein hochgeschwungenes Beil in der Rechten. Der Haß des Hexers loderte in ihren alten Augen. Sie wollte mich in seinem Auftrag erschlagen, mir mit dem handlichen Beil den Schädel spalten – schon sauste das Ding herab…
***
Landa kam aus Trincomalee zurück, und sie sah aus wie immer: schön und begehrenswert. Ihr Dekolleté war an diesem Tag freizügiger als sonst, und ihr Blick hatte jenen unschuldigen Schimmer verloren, den Dawir Matara so sehr geschätzt hatte. Landas dunkle Augen schauten ihn herausfordernd an, und das Lächeln des Mädchens – einstmals so warm wie die ceylonesische Sonne – wirkte jetzt kühl und distanziert. Sie wollte von Matara hören, was es während ihrer Abwesenheit gegeben hätte, und er sagte ihr mit belegter Stimme, daß Para Bahu, sein bester Freund, tot wäre. Dabei entging ihm nicht, mit welcher erschütternder Genugtuung sie diese Nachricht aufnahm. Entrüstet sah er, wie sie sich darüber freute, daß Bahu nicht mehr lebte. Das brachte Matara so sehr in Rage, daß er kaum noch wußte, was er tat.
Seine Hand schnellte vor.
Nie hätte er gedacht, die Hand gegen Landa erheben zu können.
Seine Finger griffen in Landas Haar. Er riß ihren Kopf hin und her. Sie begann zu schreien. Und er brüllte: »Das freut dich? Es freut dich, daß Para tot ist? O Himmel, was ist nur aus dir geworden, Landa! Wie ist es möglich, daß ich dich hasse? Ich weiß, was mit dir los ist!«
Landa schlug nach ihm.
Bretthart war ihre Hand. Er taumelte zurück, mußte sie loslassen. Mit bösen Augen starrte sie ihn an, sie fauchte und fletschte die Zähne.
»Du bist nicht mehr das Mädchen, das ich geliebt habe!« sagte Matara erschüttert.
Landa lachte gemein. »Ich bin immer noch deine Verlobte, Dawir. Wir beide gehören immer noch zusammen.«
»O nein. Das tun wir nicht mehr.«
»Was hat sich geändert?«
»Du!« schrie Matara zornig. »Du hast dich geändert. Warum? Warum hatte das nur passieren müssen? Wie hatte es geschehen können, Landa? Kannst du mir das erklären?«
Sie stellte sich dumm. »Was ist denn passiert?«
»Ich weiß alles! Es hat keine Zweck, zu leugnen, Landa. Aber ich schwöre dir, lieber werde ich dich töten, als dem Satan lassen!«
In Landas Gesicht ging eine erschreckende Wandlung vor sich. Der Dämon brach aus ihr heraus. Sie verzerrte ihre Züge, der Mund war plötzlich eine ordinäre Linie, Haß und Verachtung gruben tiefe Kerben in das Antlitz, das jetzt nicht mehr schön war.
»Du jämmerlicher Idiot!«
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