GK291 - Satan hinter Gittern
Volldampf hinter dem fliehenden Mörder her.
Er überquerte einen braunen Feldstreifen. Ich holte auf. Der Zombie hatte noch schätzungsweise dreißig Yards bis zum Waldsaum.
Ich mobilisierte alle Kräfte, die in mir steckten. Ron Ritchie blickte sich kein einziges Mal um.
Sein Gesicht war starr dem Wald zugewandt. Dem Wald, der ihn verschlucken und beschützen sollte.
Als ich auf Schußweite an ihn herangekommen war, blieb ich atemlos stehen. Mein Diamondback schwang hoch.
Um die Treffsicherheit zu erhöhen, hielt ich die Waffe mit beiden Händen.
Ich visierte den Untoten an.
»Halt, Ritchie!« schrie ich mit glasharter Stimme.
Er blieb nicht stehen. Da drückte ich ab.
Ron Ritchie wurde von meiner Kugel herumgerissen und auf die Erde geschleudert. Sein Zähneknirschen ging mir durch Mark und Bein.
Ich näherte mich ihm mit der angeratenen Vorsicht. Zwei Schritte vor ihm blieb ich mit schußbereiter Waffe stehen.
Ich hatte kein Mitleid mit ihm. Er war ein Wesen, das seine Existenz irgendwelchen Kräften aus dem Schattenreich verdankte.
Das abgrundtief Böse war in ihm. Und er hatte ein junges Mädchen ermordet.
»Aufstehen!« befahl ich.
»Ich kann nicht!« gurgelte der Zombie.
»Du kannst! Erheb dich, sonst…« Ich zielte mit dem Colt auf ihn.
Er stieß einen krächzenden Schrei aus und quälte sich sogleich auf die Beine. Und schon griff er mich zornfauchend an.
Ich war zum Glück auf der Hut gewesen, sonst wäre die Sache für mich schlimm ausgegangen.
Sein blitzschneller Tritt entwaffnete mich. Mein Colt flog in hohem Bogen davon.
Mit ausgestreckten Händen wollte er mir an die Kehle fahren, doch ich tauchte unter seinen Armen hindurch.
Als ihn mein magischer Ring traf, erstarrte er zur Salzsäule. Die weißmagische Kraft, die in dem in Gold gefaßten schwarzen Stein war, erschütterte den Zombie gewaltig.
Ron Ritchies Gesicht verzerrte sich zu einer grauenerregenden Fratze. Rote Funken sprühten aus seinen toten Augen.
Er röchelte schaurig, während sich das Böse, das ihn aufrechthielt, nun nicht mehr länger in seinem zitternden Körper halten konnte.
Er wankte. Seine Hände suchten Halt. Ich trat einen Schritt zurück -und er starb vor meinen Augen zum zweitenmal.
Diesmal war sein Tod jedoch eine endgültige Sache. Ich atmete erleichtert auf.
***
Tim Shakespeare fuhr sich mit der Hand über die müden Augen. Er war sauer. So sauer, wie er es noch nie in diesem einen Jahr gewesen war, das er nun schon im Zuchthaus verbrachte.
Sie hatten ihn wegen Urkunden- und Banknotenfälschung eingelocht. Er hatte das für völlig in Ordnung befunden und hatte gegen das Urteil keine Berufung eingelegt.
Er war durch seine eigene Blödheit straffällig geworden, also wollte er dafür auch bestraft werden - um nicht noch mal auf eine solche Schnapsidee zu kommen.
Tim Shakespeare hatte nicht geahnt, wie furchtbar hart ihn der Entzug der Freiheit treffen würde. Er hatte geglaubt, schon irgendwie damit fertig werden zu können.
Er hatte sich für einen Menschen gehalten, der sich allen Lebensbedingungen anpassen konnte, doch nach den ersten zwölf Monaten Haft hatte er begriffen, daß dies ein schwerer Irrtum gewesen war.
Shakespeare wurde von Monat zu Monat unglücklicher. Die Zellengenossen hingen ihm zum Hals heraus. Jeden Tag dasselbe tun zu müssen, machte ihn langsam, aber sicher verrückt.
Er wollte raus aus diesem Käfig, in den sie ihn mit so vielen Menschen gesperrt hatten. Er bekam kaum noch Luft hier drinnen, und er hatte sich bereits mehrmals mit Selbstmordgedanken getragen.
Aber so einfach ist das nicht, im Zuchthaus Selbstmord zu begehen. Man wird ja beinahe ständig von irgend jemandem beobachtet. Man ist nirgendwo allein. Aufseher. Mithäftlinge… Alle haben ein Auge auf einen. Sie würden es verhindern, daß Tim Shakespeare Hand an sich legte.
Lustlos schrubbte er den Boden. Wie oft würde er das noch tun müssen? Wie oft hatte er es schon getan? Allmählich verlor er die Übersicht.
Tim Shakespeare war ein großer, schwerer Bursche mit breiten Schultern und dem Nacken eines Stiers. Sein Gesicht hingegen war weich und weibisch und paßte nicht zu seinem robusten Körperbau.
Während er den Lappen wieder in den Eimer tauchte, dachte er an die schöne Zeit, die er draußen verbracht hatte. Er wußte sie erst zu schätzen, seit er hier drinnen war.
Er hatte tun und lassen können, was er wollte. Er hatte einen Job gehabt, der seinen Mann ernährte. Aber das hatte ihm nicht
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