GK370 - Das Mumien-Heer
zu werden.
Daß sich ganz in seiner Nähe jemand herumtrieb, stand nun schon fest.
Plötzlich gewahrte er eine Bewegung zwischen den mächtigen Stämmen zweier Urwaldriesen. Er fackelte nicht lange. Blitzschnell legte er an. Er zielte kaum. Dazu war er viel zu aufgeregt. Sein Finger krümmte sich um den Abzug.
Die Waffe krachte.
Das schattenhafte Wesen riß die Arme hoch und verschwand.
Ein Triumphgefühl erfüllte Ongas Brust.
Er hatte getroffen!
Gern hätte er sich das Monster angesehen, das er niedergestreckt hatte. Aber ihm fehlte der Mut, seinen Platz zu verlassen. Seine Nerven vibrierten vor Aufregung. Und plötzlich zog sich seine Kopfhaut schmerzhaft zusammen. Er hörte ein Stöhnen, ein Röcheln. Ihm wurde schlecht vor Entsetzen, denn er begriff in diesem furchtbaren Augenblick, daß er einen Menschen niedergeschossen hatte!
***
»O nein!« stieß Onga verzweifelt hervor. Er holte die Schnapsflasche wütend aus der Gesäßtasche und schleuderte sie in den Dschungel hinein. Der Alkohol war an dieser Fehlleistung schuld. Onga begriff, daß er den Schatten zuerst anrufen hätte sollen. Dadurch hätte der andere die Chance gehabt, sich zu erkennen zu geben. Erst wenn Onga die Gewißheit gehabt hätte, keinen Freund vor dem Gewehrlauf zu haben, hätte er feuern dürfen.
Heiliger Himmel, warum fiel ihm das erst jetzt ein?
Onga kämpfte sich durch das Unterholz, auf das Stöhnen und Röcheln zu.
»Das… das habe ich nicht gewollt!« jammerte er. »Ich hab’ das wirklich nicht gewollt!«
Blätter klatschten ihm ins Gesicht. Zweige geißelten ihn. Er wühlte sich durch das Dickicht, erreichte die beiden Urwaldriesen und entdeckte gleich darauf den Mann, den er getroffen hatte.
Es war Massu, sein Freund. Ebenfalls ein Krankenpfleger.
Onga ließ das Gewehr fallen. »Massu…!«
»Hast… du auf mich geschossen?«
»Ich wußte nicht…«
»Du Narr!«
»Es tut mir leid, Massu.« Ongas Augen schwammen in Tränen. »Ist es schlimm?«
»Ich… habe Schmerzen…«
»Ich wollte, ich könnte sie dir abnehmen.«
»Würdest du das auch sagen, wenn es möglich wäre?«
»Ja, Massu. Ja, ganz bestimmt. Komm, ich bringe dich zu Dr. Rees.«
»Rühr mich nicht an, du Unglücksrabe. Laß bloß deine verfluchten Finger von mir, oder hast du die Absicht, mich ganz umzubringen?«
»Warum hast du dich so weit vorgewagt, Massu?«
»Bin jetzt vielleicht ich daran schuld, daß du mich niedergeknallt hast?«
Onga rief Hilfe herbei.
Massu wurde auf eine Bahre gelegt und zur Krankenstation gebracht. Als Norman Rees erfuhr, was geschehen war, riß er Onga das Gewehr aus den Händen und donnerte: »Ich hätte Lust, dir die Waffe auf den Schädel zu hauen, du selten dämlicher Hund.«
Onga nickte. »Tun Sie’s, Doktor. Ich hab’s verdient.«
Ehe Rees es wirklich tun konnte, trat die Krankenschwester Angie Malloy zu den beiden. Sie hatte schulterlanges blondes Haar und meergrüne Augen. Ihre Figur war makellos. Sie trug einen -khakifarbenen Overall.
»Geben Sie mir das Gewehr, Doktor«, verlangte sie. »Ich werde Ongas Platz einnehmen.«
Norman Rees schüttelte den Kopf. »Das ist für ein Mädchen zu gefährlich.«
»Ich weiß, was ich mir Zutrauen kann. Nun geben Sie schon her.«
Rees ließ es zu, daß sie ihm die Waffe aus der Hand nahm.
»Und nun kümmern Sie sich um Massu«, sagte die Krankenschwester.
»Wenn ich Ihnen helfen kann…«, machte sich der unglückliche Onga erbötig.
»Ja«, knurrte Norman Rees. »Das kannst du.«
»Was soll ich tun?« fragte Onga voller Eifer.
»Geh mir aus den Augen, und laß dich in dieser Woche nicht mehr blicken!« schrie Rees ihn an, machte auf den Hacken kehrt und verschwand in der Krankenstation.
»Du mußt ihn verstehen, Onga«, sagte Angie Malloy.
»Er hat ganz recht, wenn er mich anschreit. Ich glaube, mir wäre wohler, wenn er mich auch verdroschen hätte.«
»Es kommt alles wieder ins Lot«, sagte die Krankenschwester.
»Machen Sie’s besser als ich, Miß Malloy«, sagte Onga.
»Ich werd’ mir Mühe geben«, erwiderte Angie und bezog dann Ongas Posten.
Norman Rees brauchte eine halbe Stunde, um Massu die Kugel herauszuholen. Nachdem die Wunde versorgt war, verordnete der Arzt dem Pfleger drei Tage Bettruhe. Zum Glück war Massu nicht lebensgefährlich verletzt worden.
Rees vertauschte sein Arztbesteck mit einem Jagdgewehr und gliederte sich in die Reihe der Wachen ein.
Die gespannte Atmosphäre ließ die Luft knistern. Alle warteten darauf, daß
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