GK394 - Der Magma-Mann
Rätsel. Ich auch. Haben Sie eine Ahnung, was passiert ist?«
Die Polizei hatte ihr nicht die Wahrheit gesagt, denn Lance Selby hatte gemeldet, was sich auf dem Friedhof zugetragen hatte. Scotland Yard stand keinesfalls vor einem Rätsel. Aber die Beamten fanden es vermutlich zu schrecklich, Shawn van Dyke schonungslos die Wahrheit zu sagen.
Auch ich hatte nicht die Absicht, das Mädchen zu schocken, deshalb sagte ich ausweichend: »Fest steht lediglich, daß Ihre Freundin ermordet wurde.«
Shawn van Dyke nickte. »Ray Buzzell!«
»Wie bitte?«
»Ich bin sicher, daß Ray Buzzell, Shirleys Mann, seine Hand da irgendwie im Spiel hat.«
»Sie trauen ihm einen Mord zu?«
»Ray Buzzell traue ich alles zu!« sagte das Mädchen hart. »Er ist ein schlechter Mensch.«
»Sie mögen ihn nicht, nicht wahr?«
»Ich verabscheue ihn. Bis heute kann ich nicht verstehen, wie Shirley ihn heiraten konnte.«
»Sie hat sich von ihm getrennt.«
»Das hätte sie schon lange tun sollen.«
»Kennen Sie den Grund?«
»Er hat sie gequält. Geistig und körperlich. Er ist ein Teufel in Menschengestalt. Wenn Sie ihm begegnen, denken Sie, Sie hätten einen Heiligen vor sich. Ja – aber bloß einen Scheinheiligen. Er täuscht seine Mitmenschen so gekonnt, daß ihn nur wenige durchschauen. Als es Shirley bei ihm nicht mehr ausgehalten hat, ist sie zu mir gekommen. Ich habe sie mit offenen Armen bei mir aufgenommen. Aber sie war dumm. Sie hoffte selbst dann noch, daß zwischen ihr und Ray noch mal alles gut werden könnte. Ich bin davon überzeugt, daß Ray Buzzell sie umbringen ließ.«
»Warum?« fragte ich.
»Damit er wieder frei ist.«
»Hätte eine Scheidung nicht genügt?«
»Erstens hätte Shirley in eine Scheidung nicht so schnell eingewilligt, und zweitens wollte sich Ray, dieser verdammte Geizkragen, die Unterhaltszahlungen ersparen.«
»Haben Sie schon mal den Namen Taras Lord gehört?« erkundigte ich mich.
Shawn van Dyke schüttelte den Kopf. »Nein. Noch nie? Ist er… der Mörder?«
»Können Sie mir sagen, wo Ray Buzzell arbeitet?« fragte ich weiter, ohne auf Shawns Frage einzugehen.
»Er ist Vertreter für Autoreifen.« Sie nannte mir die Anschrift der Firma. »Seien Sie vorsichtig, wenn Sie ihm begegnen. Er ist ein böser Mensch. Aber man sieht es ihm nicht an. Daran müssen Sie immer denken, wenn Sie mit ihm zu tun haben.«
Ich nickte. »Ich werde es mir merken.«
Shawn drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. »Er war immer schon ein komischer Kauz«, sagte sie leise. »Aber seit er zu diesen ›Mystikern‹ gestoßen ist, soll er total verrückt geworden sein.«
Ich horchte auf. »Was war das? Wer sind die ›Mystiker‹?«
»Irgend so ein Verein von Geistersehern oder so ähnlich. Sie haben alle einen Zacken weg. Sind nicht normal. Angeblich verherrlichen sie das Böse, beten den Teufel an… Verrückte eben.«
»Wissen Sie, wo der Verein seinen Sitz hat?«
»Keine Ahnung.«
»Wie viele Mitglieder hat er?«
»Das weiß ich auch nicht. Fragen Sie Ray. Der kann Ihnen darauf antworten… wenn er will.«
Ich nickte. »Ich werde ihn fragen.« Ich erhob mich.
»Schauen Sie mal in den Nachtklub rein, in dem ich arbeite«, sagte sie. »Es ist das ›Paradiso‹.«
»Darf ich mit meiner Freundin kommen?«
»Warum nicht? Ich sorge dafür, daß Sie den besten Tisch kriegen.«
»Danke. Aber zuvor habe ich noch einiges zu erledigen.«
»Viel Glück, Tony.«
»Kann ich gebrauchen.«
***
Timothy Todd und Glenn Middlecott besaßen die gleichen Anteile an der Eisen- und Stahlfirma, deren Name »Ferrosteel« war. Gemeinsam hatten sie die Firma aufgebaut. Gemeinsam hatten sie zahlreiche Rückschläge eingesteckt. Mehr als einmal hatte es danach ausgesehen, als müßte »Ferrosteel« geschlossen werden, aber Todd und Middlecott hatten immer wieder einen Ausweg gefunden, der den Fortbestand der Firma sicherte.
Die Zeiten der roten Zahlen gingen zu Ende.
Das Geschäft florierte.
»Ferrosteel« etablierte sich, verfügte über einen zufriedenen Kundenstock, und Timothy Todd und Glenn Middlecott kamen zu Geld.
Geld verdirbt den Charakter – heißt es.
Nun, das trifft nicht auf jeden Menschen zu, aber bei Timothy Todd war es der Fall. Er fing an, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Dagegen wäre nichts einzuwenden gewesen, denn der Mann hatte ein Recht darauf, sich an den Früchten seiner Arbeit zu erfreuen.
Aber er geriet in schlechte Gesellschaft.
Er spielte. Er trank. Er nahm Rauschgift.
Er
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