GK436 - Die Geißel der Menschheit
sagte ihm, wann du in London eintreffen würdest, und er bat mich, dich zu ihm ins Kloster zu bringen.«
Ich nickte. »Einverstanden. Wir fahren nur schnell bei meinem Haus vorbei, damit ich mich umziehen kann.«
Tucker Peckinpah nannte dem Fahrer meine Adresse: »Chichester Road 22. Paddington.«
Fünfzehn Minuten später stiegen Mr. Silver, Lance und ich aus.
»Halten Sie mich auf dem laufenden, Tony«, bat der Industrielle.
»Mache ich«, erwiderte ich, und der Rolls Royce fuhr weiter. Wir trugen unser Gepäck ins Haus. Ich genehmigte mir einen Pernod und bat die Freunde, sich an der Hausbar selbst zu bedienen.
Dann zog ich mich für kurze Zeit zurück. Als ich das Wohnzimmer wieder betrat, trug ich Jeans und ein Jackett aus demselben Stoff. Mein Colt Diamondback – mit geweihten Silberkugeln geladen – steckte in der Schulterhalfter, die nicht zu sehen war.
»Ich bin startklar«, sagte ich.
»Das bin ich schon lange«, sagte Mr. Silver.
»Wunderbar. Dann können wir ja gehen«, meinte Lance Selby, und ich holte meinen weißen Peugeot 504 Ti aus der Garage.
***
Camilla Ford war ein außergewöhnliches Mädchen. Ihre reichen Eltern hatten ihr eine gute Bildung ermöglicht. Sie spielte verschiedene Instrumente, darunter Bratsche und Violoncello, und nahm hin und wieder an großen Konzerten teil. Nicht, um Geld zu verdienen, sondern aus reiner Freude an der Kunst. Sie liebte die Musik und geriet ins Schwärmen, wenn sie über Mozart, Schubert oder Brahms sprach.
Darüber hinaus war sie auch noch sehr attraktiv, und daß sie noch keinen festen Freund hatte, war nur ihrem Wunsch zuzuschreiben, sich mit einundzwanzig Jahren noch nicht fest zu binden.
Sie wohnte allein in einem Haus in St. Pancras, und sie befaßte sich in ihrer reichlich bemessenen Freizeit mit etwas Erstaunlichem: Das hübsche blonde Mädchen gehörte einem kleinen Kreis von Leuten an, der sich für alles interessierte, was Carrago, der grausame Magier, einst verbrochen hatte.
Sie betrieben eifrig Geschichtsforschung, stöberten in alten Zeitungsberichten und privaten Tagebuchaufzeichnungen herum und trugen alles zusammen, was an bösen Taten dem Magier zugeschrieben werden konnte.
Sie wollten sich ein klares Bild von Carrago verschaffen. Das Sündenregister, das sie bislang aufgestellt hatten, war grauenerregend. Und immer noch stießen sie auf neue Taten, die der Magier begangen hatte.
Noch wußten Camilla Ford und ihre Freunde nicht, aus welchem Grund Carrago sein schändliches Treiben eingestellt hatte. Aber sie hofften, auch das noch herauszufinden.
Ebenso hofften sie, seiner Rückkehr, zu der es irgendwann einmal kommen würde, rechtzeitig einen Riegel vorschieben zu können. Wie sie das bewerkstelligen sollten, wußten sie noch nicht, aber der Plan existierte, und sie würden nicht aufhören, dieses Ziel zu verfolgen.
Camilla legte das Buch beiseite, in dem sie gelesen hatte. Sie wollte kein neues Kapitel mehr beginnen. Ihr Blick wanderte durch den geschmackvoll eingerichteten Raum und blieb an der alten Standuhr hängen, die neben dem offenen Kamin tickte.
Es war kurz vor Mitternacht. Für Camilla Ford war das noch nicht spät. Sie war ein Nachtmensch, spürte oft bis zum Morgengrauen keine Müdigkeit, benötigte überhaupt wenig Schlaf.
Ihre Gedanken beschäftigten sich mit Carrago. Sie dachte häufig an ihn, und sie zerbrach sich oft Stundenlang den Kopf darüber, wie man mit diesem Peiniger der Menschheit fertigwerden sollte, falls er aus der Hölle zurückkehrte.
Es gab oft hitzige Diskussionen im Carrago-Kreis, wenn dieses Thema angeschnitten wurde. Die einen meinten, man müsse versuchen, Carrago die Rückkehr unmöglich zu machen.
Die anderen waren der Ansicht, daß man als gewöhnlicher Sterblicher nicht in der Lage sein würde, man könne sich lediglich darauf beschränken, den Magier zu bekämpfen, sobald er wieder auf der Erde war.
Sie alle aber waren der Ansicht, daß Carrago wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Aus verschiedenen Schriften ließ sich deuten, daß der Zeitpunkt für Carragos Rückkehr bald gekommen war.
Carrago. Camilla Ford stand auf und öffnete den Wohnzimmerschrank. Sie bewahrte darin eine Skizze auf, die sie auf dem Flohmarkt erworben hatte. Die alte vergilbte Zeichnung zeigte Carragos abstoßendes Antlitz. Der Künstler, der sie angefertigt hatte, war unbekannt. Er hatte seinen Namen nicht unter sein naturalistisches Werk gesetzt, das so echt aussah, daß man meinen
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