GK436 - Die Geißel der Menschheit
konnte, Carragos Kopf könne sich jederzeit von dem Blatt lösen und zum Leben erwachen.
Der Magier war ein häßlicher Mann gewesen. Bleich, mit tiefliegenden Augen. Sein Gesicht hatte große Ähnlichkeit mit einem grinsenden Totenschädel. Die Lippen waren schmal. Der Blick stechend. Die Zähne gefletscht. Dem Mann war die Grausamkeit, zu der er fähig war, anzusehen.
Allein sein Gesicht konnte einem einen schlimmen Schrecken einjagen.
Camilla hatte vor, die Zeichnung der Carrago-Sammlung einzuverleiben. In den nächsten Tagen, wenn sie mit ihren Freunden wieder zusammentraf, würde sie dem Carrago-Kreis die Skizze zum Geschenk machen.
Ein kalter Schweiß überlief sie, während sie das Antlitz des grausamen Magiers betrachtete. Grinste er höhnischer als sonst? War Leben in diesem furchterregenden Gesicht?
Camilla wollte den Schrank schließen, doch Carragos Bild schien sie daran zu hindern. Eine ekelhafte Beklemmung bemächtigte sich des Mädchens. Sie bildete sich mit einemmal ein, Carrago befände sich in ihrer Nähe, er wäre gekommen, um sie zu töten.
Diese Einbildung wurde sehr schnell zur fixen Idee, von der sie nicht mehr loskam. Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. Gott, was war nur los mit ihr?
Ihr Herz klopfte hoch oben im Hals. Sie atmete schwer. Das Bild schien zu ihr zu sprechen. »Ich bin da!« flüsterte es. »Ich komme dich holen! Du bist gegen mich, und alle, die gegen mich sind, müssen sterben!«
Eine heiße Welle schoß Camilla Ford in den Kopf. Sie war tatsächlich in Gefahr. Sie fühlte es ganz deutlich. Der Tod war ihr nahe. Sie fing an zu zittern.
Plötzlich schrillte das Telefon. Ein heiserer Aufschrei entrang sich ihrer Kehle. Sie wirbelte herum. Das Läuten hatte sie so sehr erschreckt, daß sie ganz außer sich war.
Aber das Schrillen hatte auch ein Gutes getan: Es hatte sie von der Zeichnung fortgerissen. Camilla versuchte, sich zu beruhigen. Zögernd näherte sie sich dem Apparat.
Es war verrückt, anzunehmen, der Anruf könne in irgendeinem Zusammenhang mit Carrago stehen, aber sie bildete es sich so fest ein, daß sie nicht wagte, den Hörer abzunehmen.
Erst als das Läuten nicht verstummen wollte, hob sie ab. »Hallo!« Ihre Stimme klang gepreßt.
»Sag bloß, du hast schon geschlafen, das wäre bei einer Nachteule wie dir ja etwas ganz Neues«, sagte am anderen Ende der Leitung Mark Porter.
Auch er gehörte dem Carrago-Kreis an. Er hatte viel für Camilla übrig, doch sie sah in ihm nicht mehr als einen von mehreren guten Freunden. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, daß sich das eines Tages ändern würde.
»Ich hätte dich nicht angerufen, wenn ich nicht wüßte, was du für ein Nachtschwärmer bist«, sagte Mark.
»Ich war noch nicht im Bett«, erwiderte Camilla. Sie bemühte sich, die Erregung unter Kontrolle zu bekommen.
»Es hat lange gedauert, bis du abgehoben hast.«
»Ich… ich war unter der Dusche«, log Camilla, um ihm nicht die Wahrheit sagen zu müssen.
»Ach so. Geht es dir gut?«
»Ja. Warum fragst du?«
»Deine Stimme…«
»Was ist damit?«
»Sie klingt so sonderbar.«
»Ich bin okay.«
»Dann ist es gut«, sagte Mark Porter. »Ich hoffe immer noch, daß du dich eines Nachts einsam fühlst und mich anrufst, um mich zu bitten, zu dir zu kommen.«
»Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, Mark, aber darauf kannst du noch lange warten.«
»Das macht nichts. Ich habe Zeit. Soviel ich weiß, hast du grundsätzlich nichts gegen mich.«
»Du bist ein guter Freund, mehr nicht.«
»Vielleicht werde ich eines Tages ein besserer Freund. Ich gebe diese Hoffnung nicht auf.«
»Daran kann ich dich leider nicht hindern, aber es wäre vernünftiger, wenn du deinen Charme an jemand anders verschwenden würdest.«
»Wenn du auf einen Märchenprinzen wartest, Camilla, die sind ausgestorben. Es gibt keine mehr. Du solltest aus dem vorhandenen Angebot auswählen.«
»Daran habe ich zur Zeit noch kein Interesse.«
»Ich kann warten. Aber eigentlich habe ich dich nicht angerufen, um dir damit auf den Wecker zu gehen. Mich interessiert, ob du die Skizze gekriegt hast.«
Unwillkürlich schauderte Camilla wieder. »Sie ist hier.«
»Wann darf ich sie mir ansehen?«
»Morgen.«
»Ich würde jetzt noch vorbei kommen.«
»Morgen«, sagte Camilla mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
»Na schön, dann morgen«, sagte Mark Porter enttäuscht. »Ich wünsche dir eine geruhsame Nacht und angenehme Träume.«
»Danke, Mark. Gute
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