GK456 - Irrfahrt in die Zwischenwelt
kaum Hoffnung machen, Mr. Ballard«, sagte der Doktor. »Wenn Ihr Freund kein Mensch ist, wie soll er da auf unsere Medikamente ansprechen? Noch dazu, wo die Verletzung nicht weltlichen Ursprungs ist.«
Dr. Manners untersuchte den Hünen mit den Silberhaaren gründlich. Aus der Bißwunde floß ein geliertartiges Sekret, das einen fauligen Geruch verbreitete.
Nach der Untersuchung gab Dr. Manners dem Ex-Dämon eine Spritze. Doch statt zu helfen, verschlimmerte das Serum Mr. Silvers Zustand nur noch mehr. Der Ausfluß der gallertartigen Masse intensivierte sich.
Dr. Manners hob seufzend die Schultern. »Sie sehen selbst, Mr. Ballard. Hier muß die ärztliche Kunst versagen. Da Ihr Freund kein Mensch ist, kann ihm auch kein Mensch helfen. Vielleicht gibt es anderswo Arzneien oder Heilmittel, mit deren Hilfe er wieder genesen würde…«
»Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Dr. Manners.«
»War doch selbstverständlich, Mr. Ballard.«
»Welche Chancen geben Sie meinem Freund?«
»Schwer zu sagen. Ich kenne diese Krankheit nicht.«
Ich brachte Edward Manners zur Tür. Von dieser Stunde an geisterten seine Worte fortwährend in meinem Kopf herum. »Vielleicht gibt es anderswo Arzneien oder Heilmittel, mit deren Hilfe er wiedergenesen würde…« ANDERSWO! Aber wo Am späten Freitagnachmittag sprach ich mit Roxane darüber, und dieser Denkanstoß brachte sie in Schwung.
»Anderswo!« sagte sie erregt. »Du meinst, in einer anderen Welt, Tony.«
»Ja.«
Die Hexe aus dem Jenseits schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Wieso bin ich nicht schon früher darauf gekommen?«
»Worauf?«
»Im Reich der grünen Schatten gibt es ein Heilkraut, das Mr. Silver helfen würde. Es wird im Wolfsschrein aufbewahrt, soviel ich weiß.«
»Wo befindet sich dieses Reich der grünen Schatten?« fragte ich hastig.
Wenn es für mich einen Weg dorthin gab, würde ich ihn bedenkenlos einschlagen.
»In einer anderen Dimension«, sagte Roxane. »Es ist eine gefahrvolle Welt, in der zwei Stämme leben, die sich fortwährend bekriegen. Wer sich dorthin wagt, riskiert, zwischen die Fronten zu geraten.«
»Das ist mir egal. Ich bin entschlossen, das Heilkraut aus dem Wolfsschrein zu holen.«
»Es wird scharf bewacht. Nicht jeder kann es haben.«
»Ich kriege es«, sagte ich trotzig. »Du brauchst mir nur zu verraten, wie ich ins Reich der grünen Schatten gelange. Alles andere kannst du getrost meine Sorge sein lassen.«
»Denkst du, ich lasse dich allein in die andere Dimension gehen, Tony?«
»Du mußt bei Silver bleiben.«
»Vicky kann sich um ihn kümmern.«
»Das mache ich gern«, sagte Vicky Bonney. »Ich tue für Silver alles in meiner Macht Stehende. Wenn du denkst, daß ihr zu zweit im Reich der grünen Schatten mehr Chancen habt, Roxane, dann bin ich dafür, daß du Tony begleitest. Ich möchte ihn nicht in einer anderen Welt verlieren. Ich möchte, daß er heil wiederkommt. Mit dem Kraut, das Silver hilft.«
»Na schön«, sagte ich zu Roxane. »Dann packen wir’s eben gemeinsam.«
»Mach dich auf ein hartes Abenteuer gefaßt, Tony«, warnte mich die Hexe aus dem Jenseits.
»Ich habe keine Angst. Verrate mir endlich, wie man in das Reich der grünen Schatten gelangt.«
»In Waltham Abbey gibt es eine alte Schloßruine.«
Ich nickte. »Die kenne ich!«
»Diese Ruine ist der Einstieg ins Reich der grünen Schatten.«
»Du meinst, in dieser Ruine befindet sich ein Dimensionstor?«
»Richtig, Tony. Aber man braucht Parakräfte, um es aufstoßen zu können.«
»Die besitzt du zum Glück ja.«
»Allein deshalb ist es schon wichtig, daß ich mitkomme.«
Ich erinnerte mich daran, schon mal in dieser unheimlichen Schloßruine gewesen zu sein. Man hatte mir erzählt, daß es dort spukte, und ich hatte mich nachts in dem verwitterten Gemäuer umgesehen, doch mir war nichts Verdächtiges aufgefallen. Aber jetzt, wo ich wußte, daß die Ruine ein Dimensionstor war, begriff ich, daß es mit den Schauergeschichten, die man sich erzählte etwas auf sich haben mußte, denn man konnte durch das Tor nicht nur ins Jenseits gelangen, sondern konnte vom Jenseits auch ins Diesseits herüberwechseln.
»Wenn ich mich nicht irre, wird das Tor neuerdings bewacht«, sagte Roxane.
»Macht nichts, wir stoßen es trotzdem auf«, gab ich zurück und erhob mich. Ich begab mich zur Hausbar und goß mir einen Pernod ein. Da ich nicht wissen konnte, wie lange ich auf mein Lieblingsgetränk verzichten müssen würde, genoß ich
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