GK460 - Das Geisterdorf
benötigt wurde. Eine Terrassentür. Ich stoppte, und dann sah ich ihn: Abel Gorgonius Koczak. Halb schräg stand er vor mir. Ich schaute ihn also nicht von vorn an und hatte deshalb nicht zu befürchten, daß er mich in einen Stein verwandelte.
Hunderte von Schlangen trug er auf dem Kopf. Das Gewürm kroch übereinander, stellte sich auf, war ständig in Bewegung. Graugrün schimmerte das Gesicht des gefährlichen Gorgonen. Er präsentierte sich einem jungen Mann in seiner ganzen Scheußlichkeit. Der Junge mußte Tom Jessop sein.
Und Jessop schaute den Gorgonen voll an!
Mir war klar, was das für den Jungen bedeutete.
Tom Jessop befand sich auf dem Wege, zum Steinernen zu werden!
Das durfte nicht geschehen. Ich mußte die Verwandlung auf jeden Fall verhindern. Noch war sie nicht abgeschlossen, aber die Versteinerung schritt rasch fort. Jessop konnte sich schon nicht mehr bewegen. Das war die erste Stufe!
Ich entdeckte Lance Selby. Der Parapsychologe lag reglos auf dem Boden. In diesem Augenblick bewegte er sich. Er kam zu sich. Seine Finger umschlossen immer noch das lederne Amulett. Er hob den Kopf, erfaßte die Situation so schnell wie ich, und auch er wollte Tom Jessop helfen. Daß sich vor der Terrassentür stand, wußte Lance nicht.
Noch benommen, aber sich der Wichtigkeit seiner Aktion voll bewußt, holte er zum Wurf aus, ohne daß es der Gorgone sah.
Und dann schleuderte er den kleinen Lederbeutel nach Koczak. Das Amulett landete auf dem Kopf des Gorgonen. Es fiel mittenhinein in das ekelerregende Gewirr von Schlangen. Die dünnen Reptilienleiber zuckten starr hoch, als hätte ein Stromstoß sie erfaßt. Das Gewürm, das mit dem kleinen Lederbeutel in Berührung kam, verbrannte und verdampfte.
Koczak wirbelte herum.
Jetzt wollte er Lance töten.
Doch der Parapsychologe schaute ihn nicht an.
Das war der Moment, wo ich eingriff. Ich riß meinen mit geweihten Silberkugeln geladenen Colt Diamondback aus der Schulterhalfter, zertrümmerte das Glas der Terrassentür und sprang in den Raum.
Abermals drehte sieh der Gorgone.
Nun richtete sich sein Blick auf mich. Ich sah es. Wir starrten einander an, doch er vermochte mich nicht zu töten. Nicht, weil ich immun gegen seinen verderblichen Anblick gewesen wäre, sondern weil ich ihn nicht direkt anschaute. Ich sah ihn im Glas der offenen Terrassentür und handelte sofort, ehe er etwas gegen mich unternehmen konnte.
Wie ein Kunstschütze visierte ich ihn im spiegelnden Glas an, und dann zog ich durch. Einmal, zweimal, dreimal…
Alle sechs Kugeln jagte ich aus dem Lauf. Mindestens vier Geschosse trafen den abscheulichen Gorgonen. Sein Schädel blähte sich. Funken sprühten aus seinen Augen, während die Schlangen sich zuckend im Todeskampf wanden. Ein Reptil nach dem anderen verendete und hing leblos herab.
Der Schädel blähte sich immer noch.
Dreifache, vierfache, fünffache Größe erreichte er. Und dann zerplatzte er. Abel Gorgonius Koczaks Körper zuckte. Schwarze Schwaden hüllten ihn für wenige Sekunden ein, ein fürchterliches Heulen und schrilles Pfeifen zerrten an meinen Nerven. Dann kam die Stille. Die Schwaden fielen in sich zusammen, und von Abel Gorgonius Koczak blieb nichts übrig.
Lance Selby hob sein Amulett auf und hängte es sich wieder um den Hals.
Tom Jessop kam auf mich zu. Seine Bewegungen wirkten ein bißchen eckig, aber wir konnten sicher sein, daß er von dieser Begegnung keinen bleibenden Schaden zurückbehalten würde. Der Gorgone hatte es nicht geschafft, auch diesen jungen Mann in einen Stein zu verwandeln, und darüber war ich froh.
»Danke«, sägte Tom ergriffen.
»Geschenkt«, gab ich zurück. Und zu Lance gewandt sagte ich: »Wie fühlst du dich?«
»Jetzt prächtig.«
Der Bischof und der Pater trafen ein. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich sie wohlauf sah und erfuhr, daß sie den letzten Steinernen erledigt hatten. Pater Morton machte nun einen erstaunlich robusten Eindruck. Die Tatsache, daß er dem Bischof das Leben gerettet hatte, verlieh ihm mächtig Auftrieb.
»Und der Gorgone?« fragte Bischof Avery.
»Den gibt es nicht mehr«, antwortete ich und berichtete im Telegrammstil, was geschehen war. Danach verließen wir das Haus, holten Hashan und fuhren zu sechst nach Seltrick zurück.
Ohne daß sie jemand zusammengetrommelt hatte, standen alle Dorfbewohner auf dem kleinen Platz vor der Kirche. Man begrüßte uns mit Freudengeheul. Wir übergaben Hashan, der während der Fahrt zu sich gekommen war,
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