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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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gesagt, griff Kellermann in den Schrank und wählte so hastig einen hellgrauen Anzug, als säßen noch ein paar Milliarden in den Taschen.
    Löhring fuhr fort. Dies war die Gelegenheit, Kellermann bereits ein wenig aufzuklären: »Und dann ist da noch die Bank. Graf-von-Sallewitz-Bank. Privatbank. Sehr gediegen, alte Wirtschaftsdynastie. Die ist praktisch der einzige Vertriebskanal für Keschs Immobilienfonds. Aus denen machen die ein maßgeschneidertes Investitionstool für die vermögende Kundschaft. Seinerzeit hat man dafür extra die Sallewitz-Kesch-Holding aufgelegt, und man sagt, dass Kesch damit fast die Hälfte des Jahresgewinns der Bank beisteuert. Er IST sozusagen die Bank.«
    »Wie geht das denn? Der greift bei denen voll in die Kaviardose?« Kellermann betrachtete sich im Spiegel. Der Anzug saß fast perfekt, sogar die Kragenweite des Oberhemdes passte, auchdie Art und Weise, wie der speckige Nacken und der Hals sich leicht darüber wölbten. Es war unheimlich, mit anzusehen, wie sich da gerade eine seltsame Metamorphose vollzog, kaum dass er sich Keschs Kleidung übergestreift hatte.
    »Der kneift.« Kellermann versuchte, die Oberarme auf Schulterhöhe zu bringen.
    »Sie sollen sich darin ja auch nicht wohlfühlen. Sie sollen darin gut aussehen.«
    »Wie funktioniert das genau mit den Fonds?« Kellermann drehte sich weiter vorm Spiegel, mutierte zum Anzugträger und schien, zumindest rein äußerlich, Gefallen an seiner neuen Identität zu finden.
    Löhring gab bereitwillig Auskunft: »Kesch frisst sich in überkapitalisierte Privatkunden rein wie der Borkenkäfer in kranke Bäume. Seine Fonds sind erst einmal nichts anderes als eine gigantische Geldsammelstelle. Die Kunden investieren einen, wie man schätzt, zehnprozentigen Eigenkapitalanteil, der sich steuerlich absetzen lässt und von der Bank vorfinanziert wird.«
    »Was mache ich mit meinen Tätowierungen?« Kellermann schob die Anzugärmel zurück und entblößte die Innenseiten seiner Handgelenke.
    »Herrje, haben Sie eine Ahnung, was in diesen Kreisen so alles unter der Wäsche getragen wird?« Löhring hasste Unterbrechungen.
    Kellermann pfiff durch die Zähne: »Zehn Prozent Anleger-Kohle. Und der Rest läuft auf Pump? Ich glaub’s nicht!«
    »Sie kommen langsam rein, Kellermann. Gut so. Ja, die übrigen neunzig Prozent werden als Kredite vergeben und langfristig über üppig veranschlagte Mieten abgestottert. Geht alles gut, dann übersteigen die Mieteinnahmen irgendwann die Kreditkosten, und die Investoren sparen noch einmal, weil sie die Mieteinnahmen mit den Kreditzinsen verrechnen dürfen. Immobilienentwicklung, verstehen Sie? Ein glänzendes Geschäft für Kesch, für die Bank und für denkfaule Investoren.«
    »Was kommt dabei rum?«
    »So um die fünfundzwanzig Prozent.« Löhring sagte es so beiläufig wie möglich.
    »Alter Schwede.« Kellermann hatte sich für ein Paar dunkelbrauner Schuhe aus amerikanischem Cordovan-Pferdeleder entschieden. Sie waren etwas zu groß. Er würde zwei Paar Socken oder Einlagen darin tragen müssen.
    »Haben Sie zu viel Spiel?«, fragte Löhring.
    »Wie, jetzt?« Kellermann wiegte sich hin und her und ging ein paar Schritte. Das Leder knarrte.
    »Na, ob Ihre Zehen vorne zu viel Platz haben. Und es darf nicht schlackern hinten.« Löhring trat ein paar Schritte zurück. »Mensch, Kellermann, Sie müssen da langfristig was an Ihrer Gangart ändern.«
    »Warum?«
    Löhring fand, dass Kellermann einen extrem federnden, fast tänzelnden Gang hatte, der bei der Massigkeit seines Körpers irgendwie tapsig aussah, und er sagte: »Wir sind hier doch nicht im Universum Boxstall. Merken Sie das denn nicht? Und: Never wear brown in town. Nehmen Sie die schwarzen Schuhe.«
    Winters Büro bestand aus einem riesigen Schreibtisch mit drei Bildschirmen, hinter denen seine feingliedrige Gestalt fast verschwand. Er hatte seine Käfer selbst hier immer im Blick, hatte in fast jedem Treibhaus und im Labor Webcams installieren lassen, und jetzt krabbelten sie vor ihm über die Bildschirme, auf und ab im Zickzackkurs wie die Aktienindizes, die auf einem anderen Monitor zu sehen waren. Auf der Fensterbank stand sein altes Transistorradio, an dem er zu hängen schien. Er trug es stets mit sich herum, um zu jeder vollen Stunde die Wettervorhersage zu hören, wobei es wahrlich andere technische Möglichkeiten gegeben hätte. Doch das uhrzeitgenaue An- und Ausschalten des Gerätes schien eine Art Ritual zu sein, das er wohl

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