Glaenzende Geschaefte
Gesprächspartner nicht entlocken können. Er hatte sie am Ende abrupt weggedrückt.
Löhring war völlig verwirrt, blickte vom Lauf der Waffe, mit der Kellermann auf ihn herabzielte, wieder auf das Display des Handys und zurück. Ihm wurde klar, dass er faktisch bereits mit beiden Beinen im Grab stand. Löhring machte abwehrende Bewegungen in Richtung Waffe, so als könne er die Kugeln mit den bloßen Händen abfangen. Er begann zu reden: »Kellermann, Sie haben da gerade eine Idee. Das ist schon mal was. Aber jetzt sollten Sie auch den Mut haben, sie zu vergessen. Das macht doch unseren ganzen Plan kaputt.«
Plan? Das sei hier ja wohl Löhrings Plan, bemerkte Kellermann. Er solle ihm sofort Keschs Handy zuwerfen. Er, Kellermann, wisse genau, dass Löhring jetzt die Polizei anrufen wolle. Das habe er doch die ganze Zeit gewollt. Alles reine Verzögerungstaktik. Und streng genommen könne er, Kellermann, den Deal ja nun auch allein durchziehen. Er sehe aus wie Kesch und könne BWL. Wozu brauche er da noch einen entführten Manager, der selber an seine Kohle wollte?
Löhring musste zugeben, dass Kellermanns Beurteilung derFaktenlage so falsch nicht war. Der Häftling hatte nichts zu verlieren. Und Löhring würde keine Lücke hinterlassen. Er war Einzelkämpfer in freier Wildbahn. Alle wollten so sein wie er, und so mancher würde nachrücken, sofort und ohne mit der Wimper zu zucken. Man würde ihm keine Träne nachweinen, kein Röslein ins Grab werfen. Wahrscheinlich würde er sich nicht einmal selbst vermissen. Nein, dies hier war keine Show, nix mit High Profile Conflict Management, dachte Löhring, und um sicherzugehen, gab er der Leiche einen kräftigen Tritt, bei dem jeder lebendige Schauspieler aufgeschrien hätte. Doch Edgar gab keinen Laut von sich. Es war aus. Den Rest würde Kellermann mit einer winzigen Krümmung seines Fingers erledigen. Löhring warf das Handy hoch und schwieg. Ihm war jetzt alles egal. An Kellermanns Stelle hätte er sich wahrscheinlich auch erschossen. »Dann schießen Sie schon. Solche Dinge muss man asap erledigen.«
Löhring wartete, hielt sich die Handflächen vor das Gesicht. Hoffentlich keine Schmerzen. Alles, nur keine Schmerzen.
Doch es kam kein Schuss, noch nicht einmal ein Klicken, und als er Kellermann wieder in die Augen sah, erkannte er es schlagartig: Kellermann würde nie schießen können. Der Mann da oben zögerte, ja, er zitterte, der Lauf der Waffe wippte hin und her. Damit würde er auf dem Rummel keine einzige Rose ergattern. Es war ein seltsamer, sehr tröstlicher, vor allem lebensrettender Moment. Es gab Hoffnung. Und Löhring wagte noch ein Wort: »Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewusst, nicht wahr?«
»Klappe.«
»Das ist Goethe. ›Faust‹. Ach. Ich könnte Ihnen noch so viel beibringen.«
Kellermann ließ die Waffe zwar sinken, doch vollends gefahrlos war die Lage keineswegs. Löhring stand immer noch im Grab. »Kellermann, Sie werden mich noch brauchen, glauben Sie mir. Meinetwegen können Sie mich danach abknallen. Aber vorher können wir gemeinsam wahre Schätze heben. Undunterschätzen Sie das Management nicht. BWL ist nicht gleich GVV.« Löhring bemerkte, dass das Reden sowohl auf ihn selbst als auch auf Kellermann eine beruhigende Wirkung hatte, und er fuhr fort: »Neben der hohen Arbeitsbelastung stellt das Management Anforderungen an die Persönlichkeit, denen Sie ohne einen Ratgeber wie mich gar nicht begegnen können. Sie wissen doch gar nicht, wie man das Florett führt. Ihnen fehlt die Raffinesse. Und wie wollen Sie als Kesch Dinge entscheiden, die Sie fachlich nicht hundertprozentig durchdringen?«
Entscheiden, ohne zu durchdringen, konterte Kellermann, das sei doch Management. Nichts anderes als das.
Löhring machte Anstalten, aus der Grube zu steigen, und streckte Kellermann eine Hand entgegen. »Hören Sie, wenn wir hier noch lange so stehen, wird das nicht ungefährlicher. Die Polizei kann auch ungerufen kommen, weswegen auch immer. Man muss praktisch ständig damit rechnen.«
Im toten Kesch schien ein Knöchlein zu knacken, als Löhring Kellermanns ausgestreckte Hand ergriff und Schwung holte, um aus dem Grab zu kommen.
DIE VERWANDLUNG
Kellermann schien nach wie vor große Zweifel zu haben, ob er das Ding wirklich gemeinsam mit Löhring durchziehen sollte. Immerhin basierte das Konzept auf einer Leiche, und er hätte sich vielleicht eine positivere Basis gewünscht. So hatte er denn
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