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Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
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ihm, Miranda?«
    Es hörte sich so bemüht neutral an, als würden sie mit noch unerforschten menschlichen Probanden arbeiten. Miranda war sehr wohl bewusst, wie fatal es sein konnte, sich bereits nach wenigen Tagen im Arbeitsumfeld ein Bild oder gar ein Urteil über eine Person zu erlauben, und inzwischen war ihre Frustrationstoleranz enorm. Sie drehte ihren Bürostuhl zur Tür und sagte so hoffnungsfroh wie möglich: »Nun, ich muss mich an seine Reaktionen erst noch ein wenig gewöhnen.«
    »Was genau ist daran so schwer?«, fragte Schlick.
    Miranda musste überlegen. »Man könnte sagen, er reagiert nie so, wie ich denke, dass er reagieren würde. Ich finde ihn irgendwie unlogisch.«
    »Er ist nicht unlogisch. Asperger. Er hat das Asperger-Syndrom.«
    »Ist das nicht dasselbe?«
    Schlick kam nun näher, setzte ihre Tasse auf dem Sideboard ab und zeigte darauf: »Bengalischer Tigertee. Wollen Sie auch einen?«
    Miranda schüttelte den Kopf.
    »Hören Sie«, sagte Schlick, »Sie dürfen das, was Sie selbst für wünschenswert halten, nicht gleichzeitig für plausibel halten.«
    Die hat gut reden, dachte Miranda. Sie begann, mit dem Zeigefingerdie Kreise auf dem Mousepad nachzufahren. »Das ist einfacher gesagt als getan. Ich bin Sekretärin. Nicht Therapeutin.«
    »Ist das nicht dasselbe?«, fragte Schlick grinsend.
    Miranda wusste, dass sie es ihr nicht erläutern musste, aber sie tat es trotzdem: »Es ist eben manchmal schwierig, unauffällig herauszufinden, was er kann, was er mag, was er nicht kann und nicht mag. Denn am Ende soll er ja wohl genau das machen, was er besonders gut kann und was er besonders gern mag, oder? Der Rest bleibt dann für mich übrig.«
    Schlick nickte wissend und sagte: »Er braucht Sie. Er kann keine Gefühle lesen in den Gesichtern und daraus keine Intentionen ableiten, kann andere nicht einschätzen. Meistens fühlt er sich deswegen missverstanden, und andere fühlen sich von ihm missverstanden. Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass er nicht gerade ein Teamplayer ist.«
    »Sind Sie sicher, dass das alles die Krankheit ist oder nicht eher der Job?« Miranda zog die Schreibtischschublade auf und entnahm ihr ein kleines Fläschchen Hygiene-Gel, öffnete es und zerrieb die Flüssigkeit zwischen den Handflächen. »Manchmal habe ich Angst, dass ich auch so werde.«
    Schlick stellte sich ans Fenster und blickte hinaus, wie Winter es auch meistens tat. »Keine Sorge, Asperger ist nicht ansteckend, und es sind achtmal so viele Männer wie Frauen davon betroffen.« Sie drehte sich wieder zu Miranda um und sah ihr ins Gesicht: »Sie müssen das andersherum sehen. Ich halte Winter nicht für gestört, sondern für wunderbar emotionsfrei. Wie oft haben Sie schon für einen cholerischen Chef gearbeitet? Von Winter wird da nichts kommen. Aber er ist auch nicht gefühllos. Eigentlich leidet er unter der Einsamkeit, wie alle Menschen, glauben Sie mir.«
    »Sie mögen ihn, oder?«
    Schlick ging nicht auf Mirands Frage ein: »Wenn Sie alles, was er sagt, rein sachlich nehmen und nichts hineininterpretieren, nur auf das Was und nicht auf das Wie achten, dann kommen Siewunderbar klar mit ihm und lernen eine Menge. Er ist wie alle Männer. Nur ein bisschen anders. Einer mit Befund eben.«
    Miranda schwieg und blickte unauffällig auf ihre schmale silberne Armbanduhr. Es war erst kurz nach halb zehn. Schlick mochte mit all dem recht haben, und doch war sie nicht nur deswegen hergekommen. Mit der Zeit hatte Miranda ein feines Gespür dafür entwickelt, was die Leute wirklich wollten, wenn sie Kontakt mit ihr suchten, und sie fragte: »Was kann ich für Sie tun? Sie sind doch nicht gekommen, um mir das zu erzählen, oder?«
    Schlick lächelte: »Nein, um ehrlich zu sein, nicht. Ich wollte Sie warnen.«
    Miranda verstand nicht: »Ich habe aber den Eindruck, dass Sie gerade das Gegenteil tun.«
    Schlicks Miene wurde ernster. »Er wird Sie in diese Fonds-Geschichte mit den Skarabäen einbinden. Sie sollten wissen, worum es dabei geht.«
    »Was meinen Sie genau?«
    »Er wird damit Geld machen wollen, sehr viel Geld. Die Dangast-Gartencenter-Holding hat ihre besten Tage hinter sich, und Keith wird alles tun, um nicht verkauft zu werden.«
    »Ja, aber weiß Ihre Holding denn nichts von den Käfern?«, fragte Miranda.
    Schlick schüttelte den Kopf: »Nein. Noch nicht. Aber jetzt ist die Zeit wohl reif. Und Keith Winter will mehr als nur die Rettung der Sparte, das können Sie mir glauben.« Sie griff nach

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