Glaenzende Geschaefte
Winter einen möglichst zeitnahen Banktermin vereinbaren zu lassen, zunächst noch ohne Etta von Dangast. Löhrings Londoner Sekretärin hatte bereits telefonisch mit allen Gesprächspartnern einen Termin arrangiert, und es hatte alles geklappt. Wie immer. Wieder einmal hatte er, Löhring, den ersten Dominostein gekippt. Man musste nur zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Namen ins Spiel bringen.
Winter hatte lange geschwiegen, schien sich dann aber doch Löhrings Unterstützung sichern zu wollen, so teuer diese auch ausfallen möge. Dies mochte man auf den ersten Blick für erstaunlich halten. Denn Winter wusste alles über Löhring. Aber gerade deswegen gab es Löhring die Gewissheit, nicht gänzlichungeliebt zu sein. Winter brauchte zudem einen Kommunikator in einem extrem extrovertierten Umfeld. Und last, but not least war man bereits vor einiger Zeit ein schlagkräftiges Doppel gewesen, schätzte sich gegenseitig und war zusammen Dinge angegangen, die andere als wahnsinnig bezeichnet hätten.
Und nun Käfer als Edelmetall-Ersatz-Lieferanten. Einzigartig. Triple A schon jetzt. Mit etwas Glück würde Löhring nicht nur seine eigenen Fonds-Investments bei Kesch wieder lockermachen, sondern darüber hinaus noch ganz andere, nie dagewesene Beteiligungsmodelle in die Welt setzen und darin selbst neu investieren. Und Kellermann war im Vergleich zum echten Kesch harmlos und vor allem lenkbar, hatte ihn lediglich entführt und erwartete jetzt ein paar Kröten für seine Mitwirkung. Zwar war der Häftling der Schlüssel zu allem, denn er sah aus wie der Typ, dem Milliarden anvertraut wurden. Aber die Fernsteuerung lag in Löhrings Hand.
Ja, resümierte Löhring: Es schien sein Schicksal zu sein, Erfolg zu haben. Er war wieder im Rhythmus.
Kellermanns Rhythmus war dagegen anders. Um genau zu sein: Kellermann hatte gar keinen Rhythmus mehr. Er befand sich in einem klassischen Dilemma: Einerseits wollte er den Deal so schnell wie möglich durchziehen, damit er so schnell wie möglich an die Kohle kam, andererseits brauchte er Zeit, um vollumfänglich in Keschs Leben einzutauchen, geschweige denn diesen nach außen hin glaubwürdig zu mimen.
Es fing mit der Schlafanzug-Frage an: Kellermann reklamierte für sich einen eigenen Schlafanzug oder doch zumindest eine Reihe von T-Shirts, die sich in Keschs Schrank beileibe nicht finden ließen. Er könne einfach nicht in fremden Schlafanzügen schlafen, erst recht nicht, wenn diese allesamt aus einem fischigen, glänzenden Material waren, das sich nachts elektrisch auflud und in denen der Körper weder Halt noch Wärme fand.
Unterhemden, ob es denn nicht einfache Unterhemden täten im Bett, hatte Ilse Kesch gefragt.
Nein, hatte Kellermann geantwortet, er müsse nachts etwasauf den Armen haben. Und die Brille. Er könne durch diese dämliche, ovale kleine Brille, die sich beim kleinsten Sonnenstrahl verdunkelte, rein gar nichts erkennen. Es sei alles vielmehr ein Fühlen als ein Sehen. Kurzum, er werde Löhring und Winter erst zum Banktermin begleiten, wenn man ihm vorher noch ein paar Dinge besorge. Das sei doch wohl das Mindeste, um sich authentisch einzufühlen in die Rolle und so zu tun, als habe er den Durchblick.
Für Fragen der persönlichen Ausstattung fühlte sich Ilse Kesch nicht zuständig. In ihren Augen war es bereits ein großes Zugeständnis, Kellermann in ihre Privatsphäre zu lassen, selbst wenn sie über genügend Wachpersonal mit Nahkampfwaffen verfügte. Und überhaupt: Edgar habe sogar seine Hemden selbst gebügelt, weshalb sie absolut keine Veranlassung sehe, für Kellermann einen Schlafanzug oder eine passende Brille zu kaufen. Auf dem Weg zur Bank lägen mindestens zwei Warenhäuser mit Parkhaus. Und nun müsse man sie entschuldigen, sie habe schließlich auch Termine.
Ilse Kesch beherrschte den Spagat zwischen vollumfänglichem Wissen über die Dinge einerseits und völliger Zurücknahme andererseits wohl noch aus früheren Zeiten. Dass sie jetzt aber vor lauter Diskretion das Shoppen mit Kellermann an ihn delegierte, behagte Löhring ganz und gar nicht. Ilse Kesch hatte Kellermann Personalausweis, Führerschein und Krankenkassenkärtchen ihres Mannes ausgehändigt, nicht aber dessen Kreditkarten. Wie putzig und naiv dann doch, dachte Löhring. Kellermann würde selbstverständlich als Erstes in personam das Konto räumen, wenn sie in der Bank waren. Er willigte schließlich ein, mit Kellermann auf der Fahrt zum Termin noch kurz ein paar Dinge zu
Weitere Kostenlose Bücher