Glaenzende Geschaefte
anpassen müssen. Face it.«
Kellermann bekam einen roten Kopf. »Im Knast gibt’s jedeMenge Realität, so viel, dass Sie knöcheltief in der Scheiße stehen, Mann! Ich würde sagen, ich bin da näher dran als Sie!«
Interessant, dachte Löhring. Alte Wunden offenbar, die musste er sich unbedingt merken, um bei passender Gelegenheit nochmals den Finger hineinzulegen, und er sagte: »Ich meine nur, dass Sie Vertrauen gewinnen müssen. Da fahren alle drauf ab, das brauchen die Leute. Kesch war darin einzigartig. Ich bin ja selbst auch darauf reingefallen und habe in seine Fonds investiert.«
Kellermann beruhigte sich, blieb aber uneinsichtig: »Also, ich fand mich gut. Ich nehm die erste Kohle, die abfällt, und dann haue ich ab. Das war der Deal. Ich bin kein Bonze. Und ich werde nie einer von euch sein.«
»War Kesch auch nicht. Der ist nie einer von uns geworden und hat trotzdem die Karten in der Hand behalten. Wird Ihnen auch so gehen, Kellermann. Sie haben die besten Anlagen, länger im Spiel zu bleiben. Das ist mehr als nur ein Termingeschäft. Das geht irre schnell, glauben Sie mir.« Löhring gab sich einen Sprühstoß ins rechte Nasenloch. »Sie genießen die Annehmlichkeiten, Sie kleiden sich wie Kesch, Sie versuchen, sich so zu bewegen und so zu sprechen. Und irgendwann denken Sie auch so. Und dann werden die Gedanken zu Worten und die Worte zu Taten. Und die Taten legen sich auf Ihren Charakter und dann auf Ihr ganzes verdammtes Leben.«
»Ihr blöden Schlipswichser«, sagte Kellermann.
»Wird schon, Kellermann, wird schon. Freiheit ist eben mit Verantwortung verbunden. Lassen Sie das mal meine Sorge sein. Jetzt müssen wir als Erstes an die Bank ran.« Löhring schaute sich suchend um: »Wo ist Ilse eigentlich? Die könnte uns ja mal was zu trinken bringen.«
Die Unterlagen für die Bank umfassten nicht mehr als fünfzig Seiten. Auf dem Cover prangte Chrysina aurigans mit goldenem Panzer in voller Strahlkraft und mit technisch orientierter Hintergrundgestaltung, darunter: »SKARABÄUS – ein Fonds-Erweiterungsvorhaben für die Sallewitz-Kesch-Holding, KonzeptKeith Winter, Winter Berry Group AG«. Miranda hatte alles so exakt und präzise ausgearbeitet wie nur möglich, weil in Winters Augen schon die kleinste Schlamperei das ganze Endergebnis in Frage stellte.
Sie versuchte, sich in die Zahlen zu vertiefen. Darin lag zumindest so etwas wie Logik, man konnte sich an ihnen orientieren und sich ablenken. Denn wie man Mistkäfer als Venture Capital an die vermögenden Kunden einer traditionsreichen Privatbank bringen sollte, sodass diese Unsummen an Krediten dafür aufnahmen, war ihr immer noch ein Rätsel. Die übergeordneten Zusammenhänge blieben einem in diesem Job oft verborgen. Sie hatte zudem nur eine Halbtagsstelle, und das Einzige, was sie zu diesem Projekt beisteuerte, war rein physischer Natur: ihre Stimme am Telefon und ihre Finger auf den Tasten. Kurzum: Sie war die Frau fürs Kleine. Für Schriftgröße und Orthographie. Fürs Spiralisieren und Eintüten oder fürs Umformatieren in PDF.
»Schreiben Sie Dr. Wilhelm Löhring, IB Invest Busters, mit in den Verteiler.« Winter gehörte zu jenen Chefs, die sich geräuschlos wie ein fallendes Blatt von hinten anschlichen und einem dann die Worte gegen den Rücken donnerten.
»Warum?« Miranda schnellte herum. Sie wusste, dass diese Art der offenen Fragestellung seitens einer Sekretärin der Albtraum jeder Führungskraft war, doch sie konnte sie sich nicht abgewöhnen.
Winter blieb ruhig und sagte: »Nicht fragen. Machen«, bevor er das Büro wieder verließ.
Zehn Minuten später stand Karin Schlick an Mirandas Schreibtisch und beugte sich mit schräg gelegtem Kopf über die Unterlagen. Vielleicht war es eher echte Besorgnis und Verantwortungsgefühl als Neugierde, vielleicht auch eine gesunde Mischung aus allem. Miranda störte es nicht.
Doch dann geschah etwas mit Schlick: Sie stand plötzlich da wie versteinert, die Augen fixierten den Kopf des Dokumentes vor ihr, und ihr rechter Zeigefinger senkte sich langsam auf einenNamen im Verteiler. Sie las ihn laut vor, als helfe es, wirklich zu begreifen, was sie da entdeckt hatte: »Dr. Wilhelm Löhring. Mein Gott, das darf nicht wahr sein! Warum steht dieser Name hier?«
Miranda zuckte mit den Achseln.
Langsam, ganz langsam schien sich Schlicks Schockstarre in Empörung zu verwandeln: »Das kann nicht sein. Haben Sie ihn nicht gefragt, woher dieser Typ kommt? Weiß die Holding
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