Glaenzende Geschaefte
gar nicht mehr durch. Und jetzt legen Sie die verdammte Zeitung weg, Sie nehmen mir damit noch die ganze Sicht!«
Löhring beschleunigte und schaltete vom vierten in den dritten Gang. Er spürte Kellermanns Blick auf sich und hörte Empörung in seiner Stimme, als dieser langsam fortfuhr: »Ich bin nicht der einzige Kriminelle hier, so wie ich die Sache sehe. Nicht Winter, sondern Sie haben den Termin bei der Bank gemacht, oder? Werden Sie da überhaupt noch vorgelassen? Mit Ihrer ganzen Vorgeschichte?«
Löhring lachte die Windschutzscheibe an. »Mein lieber Kellermann, ich kenne Mollow von der Bank seit Jahren, und er ist Sprecher der Gesellschafter. Ich bin Vorzugskunde. Die Kredite, die meine Frau und ich dort in Anspruch genommen haben, sind schließlich, nun ja, von einer gewissen Dimension.«
»Wie viel?«
»Das geht Sie gar nichts an.«
»Ich bin Ihr Kesch. Ich muss das wissen.«
Verdammtes Schlitzohr, dachte Löhring. Doch was schadete es auch, wenn er Kellermann einweihte? Es war sowieso überall in der Presse zu lesen gewesen. Und so sagte er zum Lenkrad: »Etwa hundert Millionen alles in allem.«
Kellermann schien sich am eigenen Speichel verschluckt zu haben, würgte und sagte: »Hören Sie, ich will mich nicht blamieren. Ich bin vielleicht kein Finanzprofi, aber bescheuert bin ich nicht. Nun bleiben Sie mal ernst.«
»Ach, Kellermann, als Kesch sollten Sie schon wissen, wie Ihr eigenes Modell funktioniert. Ich habe Millionen in Ihre, also in Keschs Immobilienfonds investiert, und deren Nachteuerrenditewird erst so richtig interessant, wenn ich dabei reichlich Fremdkapital, also Kredite, einsetze, n’est-ce pas? Das ist der Deal zwischen Kesch, seinen Kunden und der Bank, wenn ich Sie daran erinnern darf, Mann!«
Der Wagen holperte kurzzeitig über den Fahrradweg, und Kellermann hielt sich am Gurt fest, während er kehlig von sich gab: »Wie, jetzt? So viel fremde Kohle haben Sie aufgenommen? Da richten Sie ja rein geldmäßig viel mehr Schaden an als ich!«
»Ach«, erwiderte Löhring. »Tun Sie doch nicht so. Sie rauben lieber gleich aus. Die Hotzenplotz-Methode, was?«
»Hier ist Reißverschlussverfahren.« Kellermann zeigte auf die hupenden Autos rechts und links neben ihnen sowie auf die Baustelle weiter vorne.
Löhring blieb ruhig und schaltete souverän in den vierten Gang, bevor er zum Stehen kam. »Ich lass hier niemanden dazwischen, egal, von wo der kommt.«
Kellermann war nicht wohl. »Eingebaute Vorfahrt, was? Mensch, wo haben Sie bloß Ihren Führerschein gemacht? Das ist ja lebensgefährlich mit Ihnen.«
»Nun, ich bin eher der globale Typ. Ich fliege mehr, als dass ich Auto fahre.« Der Scheibenwischer ging an, als Löhring die Hand hob, um sich die Haare aus der Stirn zu streichen.
Eine halbe Stunde später standen sie vor den Sonnenbrillen, deren Gläser bereits die Fingerabdrücke der halben Stadt trugen und auf der Nase kratzten, während sich das Preisschild in den Augenwinkel bohrte. Die Klimaanlage wirbelte die Luft warm und verbraucht von unten auf, und Löhring hätte am liebsten draußen vor der Tür gewartet, doch er konnte und durfte Kellermann nicht allein lassen. Es war grotesk. Nun musste er schon aufpassen, dass ihm der eigene Entführer nicht abhandenkam.
Löhring hasste Kaufhäuser, diese kleinbürgerlichen Massenkonsumtempel. Sie und die Kunden darin entsprachen nicht ganz seinem sozioökonomischen Background, alles ohne Stil, nur schiere Warenfülle, ein Gleichmaß und eine unbeschreiblicheÖdnis, ein einziges verschwommenes Farbenmeer, nur um einen möglichst großen Teil der Durchschnittsbürger zu befriedigen. Es war eine einzige Zumutung, fand Löhring, und er wünschte sich in diesem Moment ans andere Ende der Welt oder zumindest der Stadt. Aber es half nichts. Er und Kellermann waren zu der Überzeugung gelangt, dass das Auswechseln der dicken Brillengläser gegen Fensterglas doch ein wenig augenscheinlich sein könnte und dass stattdessen eine bei starkem Licht nachdunkelnde Sonnenbrille vorzuziehen wäre, die in etwa Form und Anmutung des Originals hatte.
Schon nach fünf Minuten wurden sie tatsächlich fündig. Es gehe doch nichts über ein ordentlich sortiertes Warenhaus, sozusagen vom Nähgarnröllchen bis zum Messerset, schwärmte Kellermann. Er mache sich jetzt gleich auf in die Wäscheabteilung, zu den Schlafanzügen. Löhring könne sich ja in der Zwischenzeit ein wenig umschauen und Marktstudien betreiben. Man treffe sich wieder an den
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