Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glaenzende Geschaefte

Glaenzende Geschaefte

Titel: Glaenzende Geschaefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Muenk
Vom Netzwerk:
Ausruhbänken unten an der Rolltreppe, in zehn Minuten. Kellermann deutete auf ein dunkelbraunes Kunstledersofa, über dem in schönen, geschwungenen Buchstaben an die Wand gemalt stand: »Nur der Denkende erlebt sein Leben.«
    Löhring erwiderte, ja, genau das sei er, denkend nämlich, und deswegen werde er sich auf gar keinen Fall von Kellermann trennen. Außerdem müsse er sich hier auch nicht umschauen. Er sei nicht der Typ Heringsbändiger, der guckt, wie es en détail in einem solchen Laden aussieht. So einer sei er wirklich und wahrhaftig nicht.
    Kellermann erwiderte amüsiert, dass er ohne die ihm zugesicherte Kohle wohl kaum die Biege machen würde. Wohin auch? Und dann schwebte er schon auf der Rolltreppe nach unten, und Löhring stürzte sich hinterher.
    Die Wäscheabteilung war unterirdisch, erstes UG. Richtig hell war es nur in den Kassenbereichen. Löhring blickte sich um, schritt durch die Gänge, fuhr dabei mit den Fingern über angestaubte Plastikummantelungen, in denen die Wäsche steckte, undbegann schließlich, die Modellauswahl nach Größe zu sortieren. Wenn man nicht alles selbst machte. Der Einkauf von Schlafanzügen schien sich auf das Verhalten zu legen, fand Löhring, denn die Menschen um ihn herum bewegten sich in etwa mit der Geschwindigkeit der Kontinentaldrift. Er konnte kaum hinsehen.
    Kellermann hatte sich inzwischen für einen dunkelblauen Herbst/Winter-Schlafanzug »Basic Function«, lang-regulär, in XXL aus hundert Prozent Baumwolle entschieden und kam damit wedelnd auf Löhring zu: »Haben Sie Bargeld dabei?«
    »Sehe ich aus wie ein Geldautomat? Das Thema hatten wir doch schon.«
    »Glauben Sie etwa, ich bezahle dieses Teil hier selbst? Das ist Requisite, steuerlich absetzbar. Das geht auf Ihre Rechnung, Löhring!«
    Es war egal, Löhring wollte nur noch raus.
    Als sie die Kasse erreichten, sagte eine Angestellte in dunkelblauem Kostüm »Hallo«, ohne aufzuschauen, und legte den Scanner an. Sie trug eine dicke Glasperlenkette und hatte stark geschminkte, schwarz getuschte Augen. Eigentlich musste sie bei jedem Wimpernschlag befürchten, dass diese verklebten und bis auf Weiteres geschlossen blieben, dachte Löhring. Auch hier würde es wieder dauern. Löhring verdrehte die Augen und begann, mit den Fingerspitzen auf den Counter zu klopfen. Alles in ihm schrie nach Tempo, Verjüngung, Verschlankung, Verlagerung Richtung Premiumsegment. Doch nichts, rein gar nichts würde sich jemals hier ändern ohne ihn. Was ihn jedoch erstaunte, war die Kopfbedeckung der Kassiererin: ein Tropenhelm, um den sie keck einen Schilfhalm aus der Deko-Abteilung gelegt hatte. Er drückte ihre aufgehellten Haare flach und strähnig über Stirn und Ohren. Kein Wunder, dass sie niemandem in die Augen blicken mochte.
    Sie musste Löhrings Blick erahnt haben, als sie seine Kreditkarte ins Lesegerät steckte und sagte: »Wir haben heute Tropenwoche. ›Die Stadt wird exotisch.‹ Gucken Sie mal draußen auf die Banner. Sammeln Sie Punkte?«
    Löhring riss ihr die Quittung aus der Hand, bevor sie ihm auch noch einen schönen Tag wünschen konnte, und ließ sich taumelnd mit Kellermann im Kundenstrom an der Plüschgiraffe vorbei Richtung Rolltreppe treiben. Der Schlafanzug war unverpackt geblieben, denn für eine dieser dünnen, raschelnden, verräterischen Plastiktüten hatte die Zeit nicht mehr gereicht.

DAS BANKGESPRÄCH
    Die Bank war auf den ersten Blick nicht das, was Kellermann sich wohl erhofft hatte. Für Löhring hatte sie das, was er selbst, offen zugegeben, nie besitzen würde: Unauffälligkeit. Es handelte sich um einen schlichten grauen Nachkriegsbau, wie er typisch für Innenstadtbereiche sein konnte, sehr wuchtig und natürlich mehrgeschossig, aber eben gänzlich ohne das, was man sich unter Tradition und Noblesse vorstellen mochte. Kurzum: Sie sah aus wie die Hauptverwaltung einer mittelgroßen Krankenkasse. Sobald Löhring und Kellermann jedoch den gläsernen Eingang passiert hatten, begann die Zeitreise. Klimatisiert.
    Ein fast regungsloser Pförtner saß in blauer Uniform hinter einem modernen schwarzen Tresen, als sei er Bestandteil des Bildes hinter ihm, das einen etwas unnahbar wirkenden Ahnen mit langen Koteletten zeigte in schwarzem Anzug vor rotem Vorhang und in der Hand ein Buch, in das er aber nicht blickte. Es hatte etwas Erhabenes, und Löhring genoss den Eindruck jedes Mal, wenn er aus dem hektischen Innenstadtbetrieb heraus in diese Ruhe kam. So musste sich ein auszuwildernder

Weitere Kostenlose Bücher