Glaenzende Geschaefte
besorgen. Sein Zahnseidevorrat ging auch zur Neige.
Sie hatten noch zwei Stunden, bevor man bei der Graf-von-Sallewitz-Bank das Bone-China-Porzellan für sie auf den Tisch setzen würde. Löhring verließ also vorzeitig mit Kellermann Keschs Villa. Doch er war in Gedanken immer noch bei Ilse Kesch: Sie wusste etwas, das er nicht wusste, war ihm, Löhring,insofern strategisch um Meilen voraus. Und sie schwieg beharrlich. Wie konnte man so verschwiegen sein, wenn es um die Ermordung des eigenen Mannes ging? Schock? Selbstschutz? War es doch sie gewesen, die ihn umgebracht hatte?
Löhring bog von der Auffahrt des Anwesens in die Straße ein und touchierte dabei leicht den Bürgersteig. »Was macht die Kesch eigentlich den ganzen Tag?«, wollte er von Kellermann wissen. Dieser hatte auf dem Beifahrersitz die Zeitung aufgeschlagen, sich als Erstes in die Todesanzeigen vertieft, dann aber doch den Finanzteil »Geld & Mehr« herausgenommen.
»Ilse? Oh, die macht ihr eigenes Ding da oben im Haus.«
»Ach. Was macht sie denn da so?«, hakte Löhring nach.
»Sie sagt, dieser First-Lady-Wohltätigkeitszirkus sei nie ihr Ding gewesen. Ich kann das verstehen.«
Löhring stutzte, hörte erstmals so etwas wie Wärme in Kellermanns Stimme. Das wäre ein völlig neuer Zug an ihm, aber wahrscheinlich steckte eher das Testosteron dahinter. Schließlich hatte dieser Typ die letzten Jahre unter Männern im Knast gesessen. Da konnte einem selbst bei älteren Frauen schon etwas warm ums Herz werden, oder vielleicht hatte Kellermann auch einfach nur ein erotisches Verhältnis zum Geld. Löhring ließ nicht locker: »Was tut sie denn stattdessen, die Ilse?«
»Ich glaub, heute übt sie mit der Gehörlosengruppe des Ortes ein Musikstück ein. Und danach schnappt sie sich ein Buch und geht als Vorleserin ins Krankenhaus. Sie sagt, dass sie einen gewissen Kontrast im Leben braucht, Gutes tun muss, jetzt mehr denn je.«
»Was soll das heißen?«
Kellermann zuckte mit den Achseln. »Ist vielleicht nur so eine Marotte. Die ist praktisch nonstop unterwegs – wenn sie nicht gerade Tötungsdelikte filmt«, fügte er scherzend hinzu.
»Musik für Taube und Bücher für Blinde? Wer glaubt denn so was? Oder hat die jetzt auch Neurosen?« Löhring sagte es mehr zu sich selbst.
Kellermann schien es sowieso nicht gehört zu haben. Er starrteauf die aufgeschlagene Zeitungsseite und rang um Fassung: »Mein Gott, haben Sie das gelesen?«
Löhring vergaß, in den dritten Gang zu schalten. »Was denn?«
»Da. Sie stehen in der Zeitung! Wegen der Entführung und so.«
»Ach so.«
Kellermann las weiter und wurde nachdenklich: »Alter Schwede, die gehen ja nicht gerade zimperlich mit Ihnen um.«
»Das ist völlig normal. Eine einzige Rufmordkampagne. Presse eben.« Löhring checkte seinen Scheitel im Rückspiegel. »Früher habe ich mich noch darüber aufgeregt, wenn sie schrieben, ich hätte das Eigenkapital meines Unternehmens versechsfacht.«
Kellermann blickte von der Zeitung auf. »Was war daran so schlimm?«
»Ich habe es verachtfacht.«
»Junge, Junge, Sie scheinen ja auch ein hübsches Strafenregister zu haben.« Kellermann vertiefte sich wieder in die Lektüre, und Löhring wechselte auf die linke Spur. »Herrje, jede Menge Schadenersatzklagen. Was haben Sie denn alles angerichtet in den Unternehmen, in denen Sie zuletzt waren? Der reinste Serientäter, was?«
»Bullshit«, sagte Löhring und zog jetzt etwas zu weit nach rechts. Der Wagen kam leicht ins Schlingern, als er den Straßenrand streifte. »Wird Ihnen nicht schlecht, wenn Sie lesen beim Fahren?«
»Ja, wird mir.« Je mehr Kellermann las, desto ungläubiger starrte er auf den Artikel. »Wenn man Sie so durch den Dreck zieht, und auch noch öffentlich, haben Sie dann keine Angst, dass Sie tatsächlich irgendwann mal in der Scheiße sitzen?«
»Nein. Oder meinen Sie, ich hätte keine Anwälte? Herrje, Kellermann, wenn Sie als unsereiner auf Applaus warten für das, was Sie tun, warten Sie lange. Und kriegen derweil nichts auf die Schiene gesetzt. Da verlieren Sie Ihre Credibility.«
»Anwälte? Wie viele davon haben Sie denn?«
»Am Ende wird von all diesen Prozessen gegen mich nichts mehr übrig bleiben. Nichts! Kaum etwas!«
»Aber wenn Sie jetzt jemand erkennt?«
Löhring streifte sich beim Fahren die Lenkradhandschuhe über und sagte: »Könnte ich Sie auch fragen. Nun kommen Sie aber mal runter, Kellermann. Hauptsache, die Fotos sind gut. Ich persönlich lese mir das
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