Glaenzende Geschaefte
konnte: Ein sperriges Wort eigentlich, das da am Gebäude hochgezogen wurde, und auf den ersten Blick schienen die Buchstaben auch gar nicht miteinander zu harmonieren. Hier schwinge Klarheit, Mut zur Nachhaltigkeit und verheißungsvolle Finanzkraft mit, hatte man ihnen gesagt. Aber jetzt, da die Finanzkraft so über dem Eingang hing, sah sie irgendwie pharmazeutisch aus, fand Miranda. »SKARABÄUS«. In kräftigen weißen Lettern, etwas erhaben auf goldenem Grund. Die Sicherung der Namensrechte hatte ein Vermögen gekostet.
Winter war ferngeblieben. Er hatte lediglich festgestellt, dass man mit »Skarabäus« jetzt sieben Buchstaben spare. Diese Umbenennung sei nichts weiter als ein Teilprojekt, und das S komme im Alphabet schließlich vor dem W, was im Hinblick auf etwaige Dax-Listen nicht unvorteilhaft sei. Dass sein eigener Name und mit ihm ein Stück Erdbeer-Tradition nun all dem zum Opfer fiel, war ihm keinen Gedanken wert. Es fiel nicht in die Kategorien, in denen er lebte und arbeitete.
»Wenn sich da oben auf die Buchstaben Tauben setzen und runterscheißen, mach ich das nicht weg.« Schlick hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah immer noch missmutig in die Höhe. »Ich bin froh, Frau Beck, dass Sie jetzt da sind.«
Miranda verstand nicht. »Warum?«
»Ich hasse lieber zu zweit.«
Miranda nickte und knetete ihre Finger, in die die Arthritis zurückgekehrt war. Schlick hatte sie zwischenzeitlich in ihre Pläne eingeweiht, wohl auch weil sie niemand anderen hatte, mit dem sie darüber sprechen konnte. Winter würde sein »Skarabäus-Projekt« über die Investorengemeinschaft mit Kesch und der Bank durchziehen, hatte Schlick vermutet, so wie man eine Operation am offenen Herzen durchführte: bis hin zum letzten Blutstropfen. Damit würde er die Dangast-Holding vielleicht erst einmal retten. Doch die Erdbeersparte und ihre Mitarbeiter drohten unter diesen Umständen endgültig zur überflüssigen Hülse zu werden und würden irgendwann mit Sicherheit abgestoßen werden. Da Schlick die Risiken besser einschätzen konnte als externe Investoren, plante sie ein Management-Buy-Out, sozusagen ein Sanierungs-MBO für die Erdbeeren, und wollte zu gegebener Zeit und nach Sicherstellung der Finanzierung mit ihrer eigenen kleinen Unternehmung online gehen: www.miezeschindler.de – mit dem kompletten Angebot der Befruchtungssorten, im Internet kombinier- und bestellbar.
Es klang plausibel und sympathisch, fand Miranda. Schließlich hatte Schlick Winters volles Vertrauen. Sie hatte zuletzt die gesamte Ergebnisverantwortung innegehabt, und sie verfügte über vertrauliche Informationen, von denen sie bisher nur einen Bruchteil preisgegeben hatte. Miranda indes war schon wieder da, wo sie gar nicht hingewollt hatte – abermals unfreiwillig eingeweiht, gefüttert mit Informationen, Szenarien, Mutmaßungen, Befürchtungen und Sorgen von Menschen, die sie kaum kannte. Und jetzt auch noch per Wagniskapital finanzierte Goldkäfer und Online-Befruchtung als MBO. Sie hätte ihr Wissen gern in einen Rucksack gepackt und am Bahnhof abgegeben.
Nach dem Termin am Haupteingang machte Miranda einen Abstecher ins Gewächshaus, denn dort vermutete sie Winter. Sie wollte ihn erleben in einer Situation, die ihm so gar nicht behagte, und als sie eine der gläsernen Haupttüren beiseiteschob, stand er auch schon da im arrangierten Regenwald, als sei er gerade über Costa Rica aus der Businessclass gefallen, und versuchte, in die Kameras des Fototeams zu blicken. Sein Gesicht für die Unternehmensbroschüre herzugeben musste ihn unendlich viel Überwindung kosten, und so guckte er jetzt auch. Es sah eher nach »Jurassic Park« aus als nach »Unternehmertum im Zeitalter der Globalisierung«, wie die Bildunterschrift lauten würde. Wie sollte man so etwas auch mit Blicken ausdrücken? Winter jedenfalls war kein Mann der Blicke und zuckte bei jedem Blitzlicht zusammen. Man würde die Zähne nachträglich hineinretuschieren und die Augen öffnen müssen.
Ilse Kesch saß bereits mit ihrem Siebzehn-Uhr-Cognac im Sessel, als Kellermann und Löhring von einem der Follow-up-Termine mit Mollow heimkamen, und Löhring entging es nicht, dass Ilse zuerst Kellermann entgegenschritt mit dem reinsten Kirchentagsbesucherinnenlächeln und ihm das Sakko abnahm. Edgar Kesch lag nun bereits seit vier Wochen im Garten, und mit der Zeit hatte sich ganz offenbar eine eigenartige Vertrautheit zwischen ihr und Kellermann entwickelt, die weit
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