Glaesener Helga
die Zügel umklammerte. Halblaut murmelte er: »Francesca hat mit dem Seifensieden begonnen, als der Abfluss des Sumpfes bei Ponte a Cappiano gestaut wurde und die Moorseen auszutrocknen begannen. Die Fischer haben nichts mehr gefangen. Mario hat rebelliert, aber Francesca hat gesagt: Vorbei ist vorbei, und mit der Seife angefangen. Sie hat einen nüchternen Verstand. Ich habe ihr erklärt, dass Lupori gefährlich ist, eine Natter. Ich dachte, sie hätte es begriffen. Und dann geht sie hin und beschimpft ihn.«
»Und was hast du zu ihm gesagt?«, fragte Cecilia. Er lächelte bitter und schwieg.
Als Cecilia beim Verlassen der Kutsche Francescas Mantel an sich nahm, entschied sie, dass es das Beste sei, ihn Abate Brandi zu übergeben, dem Benediktinermönch, der für den Granduca das Kurbad errichtete.
Denn obwohl Francesca ihren Mantel natürlich zurückbekommen musste – er war ja ihr einziger Schutz gegen die Kälte –, würde niemand erwarten können, dass sie selbst die Botin spielte für die Frau, mit der der Mann ihrer Cousine eine Liebschaft gepflegt hatte.
Warum, dachte sie einen Augenblick später etwas weniger überheblich, dafür aber umso besorgter, hatte das Weib sich nur vor all den Leuten in Rossis Arme werfen müssen? Ungeschickter ging es ja wohl kaum. Unter den Augen Dutzender Menschen. Ihr ist schwindlig gewesen, sie hat nicht nachgedacht, flüsterte die barmherzige Cecilia, aber die andere Cecilia, die klar erkannte, zu was die Gerüchte diese törichte Begebenheit aufbauschen würden, war einfach nur verärgert. Sie hatte keine Ahnung, ob Lupori Rossi aus seinen Amouren einen Strick drehen könnte, aber die Ratlosigkeit machte sie nur noch wütender.
Gemäß ihrem Entschluss begab sie sich bei nächster Gelegenheit hinab nach Montecatini Terme, wo der Abate fast immer zu finden war.
Der neue Ortsteil präsentierte sich als riesige Baustelle. Überall wuchsen die in klassizistischem Stil errichteten Sanatoriumsgebäude heran, in denen nach dem Willen des Granduca Leopoldo die Kranken der Toskana Heilung von ihren Darmleiden finden sollten. Die schwefelhaltigen Quellen waren bereits in alter Zeit bekannt gewesen. Nach ihrer kurzzeitigen Nutzung im Mittelalter waren die Bäder jedoch verfallen, und erst unter dem unermüdlichen Leopoldo hatte man sich wieder des kostbaren Besitzes erinnert. Der Granduca hatte den Wiederaufbau den Benediktinern der Badia Fiorentina übertragen und damit von ihrer Aufgabe begeisterte Männer gefunden. Schon jetzt, am frühen Morgen, sah man Mönche vor unverputzten Mauern stehen und an frisch gegossenen Fundamenten vorbeieilen.
Cecilia erkundigte sich nach dem Abate und fand ihn schließlich mit einer Bauzeichnung in der Hand im Gespräch mit einem älteren Mann, den sie für einen Architekten hielt. Die beiden inspizierten ein Röhrensystem, das kreuz und quer in einem abgezäunten Rechteck verlief. Sie wartete, bis der Architekt sich verabschiedet hatte.
»Brizzi? Francesca Brizzi?«, brummte der Abate, als sie ihr Anliegen vortrug. Unwillig schüttelte er den Kopf- eine kahle Kugel, die auf einem dünnen Geierhals saß und völlig unpassend einen voluminösen Körper krönte. »Das ist doch die Schwester von diesem verdamm … nun gut, Gott hat den Mann zu sich genommen, und ich bin der Letzte, der einem Toten etwas Schlechtes nachsagt. Wissen Sie, was er getrieben hat?«
Cecilia schüttelte den Kopf.
»Ist mit seinesgleichen durch die Nacht geschlichen und hat mir die Dampfpumpen ruiniert. Gestänge zerschlagen, Sand ins Räderwerk geschüttet, sogar Brandstiftung. Er war einer der Anführer – das schwöre ich. Ein verbrecherisches Subjekt. Und dumm dazu, wo doch die Sache mit den Teichen längst entschieden ist. Wir brauchen das Wasser hier oben. Der Fortschritt lässt sich nicht aufhalten. Habe ich den Kerlen auch erklärt, als sie kamen, sich zu beschweren. Ich habe kein Herz aus Stein, aber der Fortschritt …«
»Abate Brandi …«
»Will damit natürlich nicht sagen, dass es mir recht wäre, wie er umgekommen ist. Eine schreckliche Sache.«
»Ja wirklich.«
Der Abate streichelte mit der fetten Hand über die Zeichnung, die er inzwischen zu einer Rolle gedreht hatte, und linste zu seinen Rohren hinüber. »Sie können mir den Mantel natürlich trotzdem hierlassen. Werde Frater Michele schicken, der kann ihn der Signorina bringen und Trost spenden und all das … Na ja, wenn sie überhaupt will. Scheint ja auch ein aufsässiges Subjekt zu sein, wenn
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