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Glaesener Helga

Glaesener Helga

Titel: Glaesener Helga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfe im Olivenhain
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auf Giudice Rossis Wunsch. Und das stimmt, denn wenn er wüsste …«
    »Ich hätte nicht fragen sollen, Signorina.« »Ich wollte ihn nicht wecken.«
»Schon gut. Ich hab’s so verstanden, dass es abgesprochen ist«, knurrte Bruno und versank in Schweigen, während Signore Seccis Kutschpferd weiße Kältewölkchen aus den Nüstern stieß.
    Sie erreichten den Piazza della Locanda Maggiore und passierten das Armenhospiz, hinter dessen morschem Gartenzaun ein Hahn krähte. Vor der Fremdenherberge, die dem Hospiz gegenüber lag, kurbelte eine Magd Wasser aus einem Brunnen. In einem der Fenster stand ein junges Mädchen und schüttelte einen Putzlappen aus.
    Gleich darauf verließen sie das Städtchen. Weißer Raureif lag auf den Unkräutern längs des Weges. In den Furchen, die die Karren und Wagen in die Straße gegraben hatten, saß der Frost. Eine blasse, wagenradgroße Sonne stand am Horizont, umhüllt von weißen Nebeln. Cecilia zog sich die Decke, die sie im Wagen gefunden hatte, bis zum Hals.
    Nicht lange, und auch die Gärten und Äcker verschwanden. Stattdessen säumten Tümpel und morastige Wiesen den Weg des Landos. Das Padule di Fucecchio, das Sumpfland im Süden von Montecatini, empfing sie mit weiten, feuchten Armen. Nebelschwaden bedeckten das Land wie zerrissene Schleier, und Cecilia roch die Gewässer mehr, als dass sie sie sah.
    Hier war einmal der Fischteich der Toskana gewesen, wie sie es nannten. Von hier aus waren die Tafeln von Florenz mit Aalen und Karpfen beliefert worden. Bis der Granduca entschieden hatte, dass nun woanders gefischt werden musste, weil die Heilquellen zum Wohle der Thermen zu kanalisieren seien – und damit trockneten die Seen eben aus. Was alles in allem ein Segen ist, auch für die Fischer, hatte Arthur Billings, der englische Dottore, der das Irrenspital von Montecatini leitete, gesagt. Die Särge, die die Malaria in den letzten Jahrzehnten gefüllt hatte, waren kaum zu zählen gewesen.
Im Augenblick gab es keine Mücken. Nur das Zjädädä einer vereinsamten Sumpfmeise war zu hören. Und irgendwo sehr weit weg hämmerte jemand.
    Sie passierten hinter einer Kurve ein Haus, das mit seinen vergitterten Fenstern wie das Gefängnis eines Sumpfkönigs wirkte. Eines der Dampfpumpenhäuser, das die Mönche gebaut hatten. In so einem Gebäude war Mario also ermordet worden?
    »Darauf ruht kein Segen«, brummelte Bruno, der die Abneigung der einfachen Leute gegen alles Technische teilte.
    In Ponte Buggianese mussten sie sich durchfragen. Eine von Katzen umringte Vettel, die an einer Pfeife sog, wies sie quer durchs Dorf, und am anderen Ende, an der Grenze zwischen Sumpf und festem Land, fanden sie Francescas Kate. Ein unangenehmer Geruch nach ranzigem Fett wehte ihnen entgegen.
    Cecilia nahm den Mantel und die Handschuhe und ging durch den Garten. Trotz des Winters konnte man erkennen, dass hier in geordneten Reihen, durchtrennt von liebevoll geharkten Wegen, eine Fülle von Kräutern wuchs. Eine sehr viel größere Menge, als man sie in der Küche verbrauchen konnte. Bestimmt das Duftmaterial für die Seifen.
    Sie klopfte. Als niemand antwortete, öffnete sie vorsichtig die Tür.
Der Raum, in den das Morgenlicht fiel, sah aus wie eine Werkstatt. Mehrere Fässer standen auf Holzgestellen an der Wand, unter ihnen kleine Becken, in die Flüssigkeit tropfte. Auf einem Tisch, der sich über die ganze Breite des Raums zog, lagen mit Tüchern ausgelegte Holzschalen, in denen weiße Klötze schimmerten. In einem Regal reihten sich Porzellantiegel. Es roch intensiv nach Zitronenmelisse und anderen Düften, aber der angenehme Geruch wurde von dem Fettgestank überlagert, der aus einem riesigen heizbaren Bottich aufstieg und das ganze Häuschen durchdrang.
So also sah es in einer Seifensiederei aus. Fett hin oder her – einen Moment lang beneidete Cecilia Francesca um ihr Reich der Unabhängigkeit. Die Wintersonnenstrahlen ließen den Staub in der Luft glitzern und verliehen dem Raum einen Glanz, als handelte es sich tatsächlich um ein kleines Königreich. Sie legte den Mantel auf einer Bank ab.
»Signorina Brizzi?«
Sie durchquerte den Raum und öffnete eine zweite Tür. Das Zimmer, das dahinter lag, war dunkel, denn man hatte die Fensterläden zugeklappt. Trotzdem konnte Cecilia einen Tisch, einige Regale mit Küchenutensilien, eine primitive gemauerte Kochstelle und zwei Betten ausmachen. »Signorina Brizzi?«
Auf einem der Betten bemerkte sie einen Hügel, eine unbewegliche Beule in

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