Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Mann, zu dem wir volles Vertrauen haben können; er ist im Besitz der Geheimnisse vieler Familien und kann auch dieses noch tragen. Er ist ein redlicher Mann, ein Mann von Bedeutung, ein Mann von Ehre; er ist listig und verschlagen, aber er hat nur die Schlauheit des Geschäftsmannes, und du darfst ihn nur dazu benutzen, ein Zeugnis zu erhalten, auf das du Rücksicht nehmen kannst. Wir haben im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten einen Mann von der politischen Polizei, der in der Kunst, Staatsgeheimnisse zu entdecken, einzig ist. Wir schicken ihn oft in allerlei Missionen aus. Benachrichtige Derville, daß er in dieser Sache eine Hilfskraft haben wird. Unser Spion ist ein ›Herr‹, der sich mit dem Kreuz der Ehrenlegion einstellen wird; er wird den Eindruck eines Diplomaten machen. Dieser Schlingel wird den Jäger spielen, und Derville wird der Jagd ganz einfach beiwohnen. Dein Anwalt wird dir sagen, ob der Berg eine Maus gebiert, oder ob du mit diesem kleinen Rubempré brechen mußt. In acht Tagen weißt du, woran du dich zu halten hast.«
»Der junge Mann ist noch nicht Marquis genug, um Anstoß daran zu nehmen, wenn er mich acht Tage lang nicht zu Hause findet,« sagte der Herzog von Grandlieu. »Vor allem dann nicht, wenn du ihm deine Tochter gibst,« erwiderte der ehemalige Gesandte. »Wenn der anonyme Brief recht hat, was macht dir das aus? Du schickst Klotilde mit meiner Schwiegertochter Magdalene auf Reisen, sie möchte nach Italien...« »Du hilfst mir aus der Not, und ich weiß noch nicht, ob ich dir danken soll...« »Warten wir den Ausgang ab.« »Ah!« rief der Herzog von Grandlieu, »wie heißt dieser Herr? Ich muß ihn Derville melden... Schicke ihn mir morgen gegen vier Uhr her, Derville wird da sein, ich mache die beiden bekannt.« »Der wahre Name«, sagte der ehemalige Gesandte, »ist, glaube ich, Corentin ... ein Name, den du noch nicht gehört haben wirst, aber wenn der Mensch zu dir kommt, behängt er sich mit seinem Amtsnamen. Er läßt sich Herr von Saint-Soundso nennen... Saint-Yves, Sainte-Valère, eins oder das andere. Du kannst dich auf ihn verlassen, Ludwig XVIII. verließ sich völlig auf ihn.«
Nach dieser Unterredung erhielt der Haushofmeister Befehl, Herrn von Rupembré die Tür zu schließen, wie es geschehen war.
Lucien ging im Foyer der Italienischen Oper wie ein Trunkener auf und ab. Er sah sich im Munde von ganz Paris. Er hatte im Herzog von Rhétoré einen jener unerbittlichen Feinde, denen man zulächeln muß, ohne sich an ihnen rächen zu können, denn ihre Ausfälle wahren die Grenzen des Anstandes. Der Herzog von Rhétoré kannte die Szene, die sich soeben auf der Freitreppe des Hotels Grandlieu abgespielt hatte. Lucien, der die Notwendigkeit fühlte, seinen geheimen Ratgeber auf der Stelle von diesem plötzlichen Unheil zu benachrichtigen, fürchtete sich zu kompromittieren, wenn er sich zu Esther begab, bei der er vielleicht Gesellschaft antreffen würde. Er vergaß, daß Esther da war, so verwirrten sich seine Gedanken; und mitten in dieser ganzen Ratlosigkeit mußte er auch noch mit Rastignac plaudern, der von der Neuigkeit noch nichts wußte und ihn zu seiner bevorstehenden Hochzeit beglückwünschte. In diesem Augenblick zeigte Nucingen sich lächelnd und sagte zu Lucien: »Follen Sie mir das Verknüken machen, ßu Frau von Chamby ßu gommen; sie will Sie selbst einladen ßu dem Einwaihungsschmaus ...« »Gern, Baron,« erwiderte Lucien, dem der Finanzmann wie ein Rettungsengel erschien.
»Lassen Sie uns allein,« sagte Esther zu Herrn von Nucingen, als sie ihn mit Lucien eintreten sah; »suchen Sie Frau du Val-Noble auf, die ich mit ihrem Nabob in einer Loge im dritten Rang sehe ... Es wachsen viele Nabobs in Indien,« fügte sie hinzu, indem sie Lucien mit einem Blick der Verständigung ansah. »Und der da«, sagte Lucien lächelnd, »sieht dem Ihren furchtbar ähnlich.« »Und«, sagte Esther, indem sie Lucien durch ein neues Zeichen der Verständigung antwortete, während sie zu dem Baron sprach, »führen Sie sie mir mit ihrem Nabob her, er hat große Lust, Ihre Bekanntschaft zu machen; man sagt, er sei ungeheuer reich. Die arme Frau hat mir schon ich weiß nicht wieviel Elegien gesungen, sie beklagt sich, daß der Nabob nicht in Gang kommt; und wenn Sie ihn seines Ballastes beraubten, würde er vielleicht behender werden.« »So halten Sie uns fier Diebe?« sagte der Baron, indem er hinausging.
»Was hast du, mein Lucien? ...« flüsterte Esther
Weitere Kostenlose Bücher