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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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da und hielt den Knopf der Tür in der Hand. »Hierher, Nucingen!« sagte Esther, indem sie ihn mit einer hochmütigen Geste zurückrief. Er neigte sich in hündischem Gehorsam zu ihr nieder. »Wollen Sie, daß ich nett zu Ihnen bin und Ihnen heute abend bei mir Zuckerwasser gebe, indem ich Sie hätschle, dickes Ungeheuer? ...« »Sie prechen mir das Herz ...« »Ich preche Ihnen das Herz,« erwiderte sie, indem sie sich über die Aussprache des Barons lustig machte. »Lassen Sie sehen, holen Sie mir Lucien, damit ich ihn zu unserm Schmaus einladen kann und sicher bin, daß er nicht wegbleibt. Wenn Ihnen diese kleine Unterhandlung gelingt, so will ich dir so lange sagen, daß ich dich liebe, mein dicker Friedrich, bis du es glaubst ...« »Sie sind aine Zauperin,« sagte der Baron, indem er Esthers Handschuh küßte. »Ich wäre pereit, aine Schdunde lang Belaidikungen anßuhören, wenn immer ßum Schluß aine Liepgosung gäme ...« »Vorwärts! Wenn man mir nicht gehorcht, so ...« sagte sie, indem sie dem Baron mit dem Finger drohte, wie einem Kinde. Der Baron ruckte mit dem Kopf wie ein Vogel, der in einer Falle gefangen ist und den Jäger anfleht.
    ›Mein Gott! Was hat Lucien nur?‹ fragte sie sich, als sie allein war und ihren Tränen freien Lauf ließ. ›So traurig ist er noch nie gewesen!‹
    Lucien war an ebendiesem Abend folgendes begegnet. Um neun Uhr war er wie jeden Abend in seinem Coupe ausgefahren, um sich ins Hotel Grandlieu zu begeben. Da er sein Sattelpferd und das Pferd für sein Kabriolett für den Morgen behielt, so hatte er sich für seine Winterabende ein Coupé genommen, und zwar hatte er sich bei dem ersten Wagenvermieter eins der prachtvollsten mit prachtvollen Pferden ausgesucht, Alles lächelte ihm seit einem Monat: er hatte dreimal im Hotel Grandlieu gespeist; der Herzog war reizend gegen ihn; seine Aktien an dem Omnibusunternehmen, die er zu dreihunderttausend Franken verkauft hatte, erlaubten ihm, wieder ein Drittel des Preises seiner Ländereien zu bezahlen. Klotilde von Grandlieu, die entzückend Toilette machte, hatte zehn Schminktöpfe auf dem Gesicht, wenn er in den Salon trat, und sie gab ihre Leidenschaft für ihn laut zu. Ein paar recht hochgestellte Leute sprachen von der Heirat Luciens und des Fräuleins von Grandlieu wie von etwas Wahrscheinlichem. Der Herzog von Chaulieu, der ehemalige Gesandte in Spanien und der augenblickliche Minister der auswärtigen Angelegenheiten, hatte der Herzogin von Grandlieu versprochen, den König für Lucien um den Marquistitel zu bitten. Lucien war also, nachdem er bei Frau von Sérizy gespeist hatte, auch an diesem Abend in den Faubourg Saint-Germain gefahren, um in der Rue de la Chaussée-d'Antin seinen täglichen Besuch zu machen. Als er ankam, klopfte sein Kutscher am Tor; es tat sich auf, und er fuhr an der Freitreppe vor. Als Lucien aus dem Wagen stieg, sah er drei Equipagen im Hof. Einer der Lakaien, der die Tür des Säulenganges öffnete und schloß, trat, als er Herrn von Rubempré sah, auf die Freitreppe hinaus und stellte sich wie ein Soldat, der seinen Posten wieder einnimmt, vor die Tür.
    »Seine Herrlichkeit ist nicht zu Hause!« sagte er. »Die Frau Herzogin empfängt,« bemerkte Lucien. »Die Frau Herzogin ist ausgegangen,« erwiderte der Lakai ernst. »Fräulein Klotilde...« »Ich glaube nicht, daß Fräulein Klotilde den Herrn in Abwesenheit der Frau Herzogin empfängt...« »Aber es ist Besuch da,« erwiderte Lucien, wie vom Blitz getroffen. »Ich weiß nicht,« gab der Lakai zurück, indem er versuchte, sich zugleich dumm und ehrfurchtsvoll zu stellen.
    Für alle, die die Etikette als das furchtbarste Gesetz der Gesellschaft anerkennen, gibt es nichts Schrecklicheres als sie. Lucien erriet den Sinn dieser für ihn vernichtenden Szene gar leicht: der Herzog und die Herzogin wollten ihn nicht empfangen; er fühlte, wie sein Rückenmark in den Ringen seiner Wirbelsäule gefror, und in Perlen trat ihm der kalte Schweiß auf die Stirn. Dieses Gespräch fand in Gegenwart seines eigenen Kammerdieners statt, der den Griff des Wagenschlags in der Hand hielt und ihn zu schließen zögerte. Lucien gab ihm einen Wink, daß er aufbrechen wollte; aber als er wieder einstieg, hörte er das Geräusch, das entsteht, wenn Leute eine Treppe herunterkommen, und der Lakai trat vor, um nacheinander aufzurufen: »Die Leute des Herrn Herzogs von Chaulieu!... Die Leute der Frau Vicomtesse von Grandlieu!« Lucien sagte zu seinem Bedienten nur

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