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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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bleiben, da er keine Gelegenheit zur Reise fand; er mußte erst nach Bordeaux schreiben, um einen Platz zu belegen, und erst neun Tage nach seinem Aufbruch konnte er nach Paris zurückkehren.
    Während dieser Zeit ging Peyrade jeden Tag, sei es in Passy, sei es in Paris, in Corentins Haus, um nachzusehen, ob er zurückgekehrt wäre. Am achten Tage ließ er in beiden Wohnungen einen Brief zurück, der in Chiffern geschrieben war; er setzte seinem Freund auseinander, welche Todesart ihm drohte, wie Lydia entführt worden war, und welches grauenhafte Schicksal seine Feinde ihm zugedachten. Peyrade, der hier angegriffen wurde, wie bisher nur er angegriffen hatte, blieb, von Corentin im Stich gelassen, aber von Contenson unterstützt, darum nicht minder in seinem Nabobskostüm. Hatten seine unsichtbaren Feinde ihn auch entdeckt, so dachte er doch verständigerweise einige Aufklärungen erlangen zu können, wenn er auf dem Schlachtfeld blieb. Contenson hatte all seine Bekanntschaften auf Lydias Spur geschickt, er hoffte das Haus zu entdecken, in dem sie verborgen war; aber von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde steigerte die Unmöglichkeit, irgend etwas zu erfahren, die immer deutlicher ersichtlich wurde, Peyrades Verzweiflung. Der alte Spion ließ sich von einer Garde umgeben, die aus den zwölf oder fünfzehn geschicktesten Agenten bestand. Man überwachte die Umgebung der Rue des Moineaux und der Rue Taitbout, wo er als Nabob bei Frau du Val-Noble lebte. Während der drei letzten Tage der verhängnisvollen Frist, die Asien ihm gewährt hatte, um Lucien auf dem alten Fuß im Hotel Grandlieu wieder Eingang zu verschaffen, verließ Contenson den Veteranen des alten Generalpolizeiamtes nicht. So tauchte die Angst, welche die Listen feindlicher Stämme im Herzen der amerikanischen Wälder verbreiten und aus denen Cooper so viel Vorteil gezogen hat, die kleinsten Einzelheiten des Pariser Lebens in ihre Poesie. Die Vorübergehenden, die Läden, die Wagen, irgendeine Person, die an einem Fenster stand, all das bot den menschlichen Nummern, denen die Verteidigung des alten Peyrade, für den es sich um sein Leben handelte, anvertraut war, das ungeheure Interesse, das in Coopers Romanen ein Baumstamm, ein Biberbau, ein Fels, die Haut eines Bisons, ein regungsloses Boot und eine Laubkrone über dem Wasser bieten.
    »Wenn der Spanier fort ist, haben Sie nichts zu fürchten,« sagte Contenson zu Peyrade, indem er ihn auf die tiefe Ruhe aufmerksam machte, deren sie genossen. »Und wenn er nicht fort ist?« erwiderte Peyrade. »Er hat einen meiner Leute hinter seiner Kalesche mitgenommen, aber der Mann war in Blois gezwungen, abzusteigen, und konnte dann den Wagen nicht wieder einholen.«
    Fünf Tage nach Dervilles Rückkehr empfing Lucien eines Morgens Rastignacs Besuch. »Mein Lieber,« sagte der zu ihm, »ich bin in Verzweiflung, weil man mir wegen unserer intimen Bekanntschaft eine Verhandlung anvertraut hat. Deine Heirat ist dir abgeschnitten, ohne daß du hoffen kannst, sie je wieder anzuknüpfen. Setze keinen Fuß mehr ins Hotel Grandlieu. Um Klotilde zu heiraten, mußt du den Tod ihres Vaters abwarten, und er ist zu sehr Egoist geworden, um bald zu sterben. Die alten Whistspieler sitzen lange an ihrem Tisch. Klotilde wird mit Magdalene von Lenoncourt nach Italien reisen. Das arme Mädchen liebt dich so sehr, mein Lieber, daß man sie hat überwachen müssen; sie wollte dich besuchen, sie hatte ihren kleinen Fluchtplan fertig ... Das ist ein Trost in deinem Unglück.«
    Lucien erwiderte nichts; er sah Rastignac an. »Ist es schließlich ein Unglück? ...« fuhr sein Landsmann fort; »du wirst leicht ein anderes, ebenso vornehmes Mädchen finden, das schöner ist als Klotilde! ... Frau von Sérizy wird dich aus Rache verheiraten; sie hat die Grandlieus nie leiden können, denn sie haben sie nie empfangen wollen; sie hat eine Nichte, die kleine Clementia du Rouvre ...« »Mein Lieber,« erwiderte Lucien endlich, »seit unserem letzten Souper stehe ich mich nicht gut mit Frau von Serizy; sie hat mich in Esthers Loge gesehen, sie hat mir eine Szene gemacht, und ich habe mich nicht dagegen gewehrt.« »Eine Frau von mehr als vierzig Jahren überwirft sich nicht auf lange mit einem so schönen jungen Menschen, wie du es bist,« entgegnete Rastignac. »Ich kenne diese Sonnenuntergänge ein wenig! ... Am Horizont dauert das zehn Minuten, im Herzen einer Frau zehn Jahre.« »Ich erwarte jetzt seit acht Tagen einen Brief von ihr.« »Geh

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