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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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hin.« »Nun wird es wohl nötig sein.« »Kommst du wenigstens zur Val-Noble? Ihr Nabob erwidert Nucingens Souper.« »Ich bin eingeladen und werde kommen,« sagte Lucien mit ernster Stimme.
    Am Tage nach der Bestätigung seines Unglücks, über das Asien Carlos sofort berichtete, begab sich Lucien mit Rastignac und Nucingen zu dem falschen Nabob.
    Um Mitternacht vereinigte Esthers ehemaliger Speisesaal fast alle Persönlichkeiten dieses Dramas, dessen unter dem Bett dieser gießbachähnlichen Existenzen verstecktes Interesse nur Esther, Lucien, Peyrade, dem Mulatten Contenson und Paccard bekannt war, welch letzterer kam, um seine Herrin zu bedienen. Asien war, ohne daß Peyrade und Contenson etwas davon wußten, von Frau du Val-Noble gebeten worden, ihrer Köchin zu Hilfe zu kommen. Als man sich zu Tische setzte, fand Peyrade, der Frau du Val-Noble fünfhundert Franken gegeben hatte, damit sie ihre Sache gut machen konnte, in seiner Serviette einen kleinen Zettel, auf dem er diese mit Bleistift geschriebenen Worte las: ›Die zehn Tage laufen in dem Augenblick ab, in dem Sie sich zu Tische setzen.‹ Peyrade reichte Contenson, der hinter ihm stand, das Papier und sagte auf englisch: »Hast du da meinen Namen hineingesteckt?«
    Contenson las dieses Menetekel beim Kerzenlicht und steckte das Papier in die Tasche; aber er wußte wohl, wie schwer es ist, eine Bleistiftschrift zu identifizieren, zumal wenn der ganze Satz in Majuskeln geschrieben ist, das heißt mit sozusagen mathematischen Linien, denn die großen Buchstaben bestehen einzig aus Kurven und Geraden, in denen man die Gewohnheiten der Hand unmöglich erkennen kann, wie in der sogenannten Kursivschrift.
    Es war ein Souper ohne Heiterkeit, Peyrade war sichtlich geistesabwesend. Von den jungen Lebemännern, die ein Souper zu erheitern verstanden, waren nur Lucien und Rastignac da. Lucien war traurig und nachdenklich. Rastignac hatte vor dem Souper zweitausend Franken verloren und aß und trank mit dem Gedanken, sie nach dem Souper wieder einzubringen. Die drei Frauen, denen diese Kühle auffiel, sahen sich an. Die Langwelle beraubte die Speisen ihres Wohlgeschmacks. Es geht mit den Soupers wie mit den Theaterstücken und Büchern, sie haben ihre Schicksale.
    Am Schluß des Soupers trug man Eis mit Früchten auf. Jedermann weiß, daß da auf dem Eis kleine, sehr feine eingemachte Früchte liegen; das Ganze wird in Gläsern serviert, ohne nach pyramidalem Aufbau zu streben. Dieses Eis hatte Frau du Val-Noble bei Tortoni bestellt, dessen berühmter Laden an der Ecke der Rue Taitbout und des Boulevards liegt. Die Köchin ließ den Mulatten rufen, um die Rechnung des Eishändlers zu bezahlen, Contenson, dem die Forderung des Burschen ungewöhnlich vorkam, eilte hinunter und fuhr ihn mit diesen Worten an: »Sind Sie denn nicht von Tortoni? ...« Und er sprang auf der Stelle wieder hinauf.
    Aber Paccard hatte diese Abwesenheit bereits benutzt, um das Eis unter die Gäste zu verteilen. Kaum erreichte der Mulatte die Tür der Wohnung, so rief einer der Agenten, die die Rue des Moineaux überwachten, die Treppe hinauf: »Nummer siebenundzwanzig.« »Was gibt es?« erwiderte Contenson, indem er mit großer Geschwindigkeit von neuem hinabeilte. »Sagen Sie dem Papa, daß seine Tochter nach Hause gekommen ist; aber in welchem Zustand, großer Gott! Er soll kommen, sie stirbt!«
    In dem Augenblick, als Contenson in den Speisesaal trat, schluckte der alte Peyrade, der übrigens viel getrunken hatte, die kleine Kirsche hinunter, die oben auf seinem Eis gelegen hatte. Man brachte Frau du Val-Nobles Gesundheit aus; der Nabob füllte sein Glas mit sogenanntem Kapwein und leerte es. So sehr Contenson auch die Nachricht, die er Peyrade geben sollte, verwirrte, so fiel ihm doch, als er eintrat, auf, mit welcher Spannung Paccard den Nabob ansah. Die beiden Augen des Dieners der Frau von Champy glichen zwei starren Flammen. Diese Beobachtung durfte jedoch trotz ihrer Wichtigkeit den Mulatten nicht aufhalten, und er neigte sich zu seinem Herrn hinab, als Peyrade gerade sein leeres Glas wieder auf den Tisch stellte.
    »Lydia ist zu Hause,« sagte Contenson, »und zwar in recht traurigem Zustande.« Peyrade stieß den französischsten aller französischen Flüche aus, und noch dazu in so ausgesprochen südländischem Ton, daß auf den Gesichtern der Gäste das tiefste Erstaunen erschien. Als er seinen Fehler bemerkte, gestand Peyrade seine Verkleidung ein, indem er Contenson in gutem

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