Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
namens Gobseck; es ist derselbe Name, nur mit vertauschten Konsonanten ...« »Nun,« sagte Corentin, »ich werde Ihnen nach meiner Rückkehr Auskünfte über die Abstammung verschaffen.«
    Eine Stunde darauf waren die beiden Beauftragten des Hauses Grandlieu nach der Verberie, dem Hause des Herrn und der Frau Séchard, unterwegs. Nie hatte Lucien so tiefe Erregungen erlebt, wie sie ihn ergriffen, als er in der Verberie sein Schicksal mit dem seines Schwagers verglich. Die beiden Pariser sollten jetzt dasselbe Schauspiel vorfinden, das vor wenigen Tagen Lucien getroffen hatte. Dort atmete alles Ruhe und Wohlstand. Zu der Stunde, um die die beiden Fremden eintreffen mußten, saß im Salon der Verberie eine Gesellschaft von vier Personen: der Pfarrer von Marsac, eln junger Priester von fünfundzwanzig Jahren, der auf Frau Séchards Bitte der Lehrer ihres Sohnes Lucien geworden war; der Arzt des Ortes, ein Herr Marron; der Bürgermeister der Gemeinde und ein alter pensionierter Oberst, der auf einem kleinen Besitz der Verberie gegenüber, auf der andern Seite der Straße, Rosen baute. An jedem Winterabend kamen diese Leute, um eln unschuldiges Boston zu einem Centime den Point zu spielen, um die Zeltungen abzuholen oder die, die sie gelesen hatten, zurückzugeben. Als Herr und Frau Séchard die Verberie, ein schönes Kalktuffhaus mit Schieferdach, erstanden, bestand das ganze zugehörige Gelände aus einem Garten von zwei Morgen. Mit der Zeit hatte die schöne Frau Séchard ihren Garten, indem sie ihre Ersparnisse darauf verwandte, bis zu einem kleinen Wasserlauf ausgedehnt; sie hatte die Weinberge, die sie kaufte, geopfert und in Rasen und Büsche verwandelt. In diesem Augenblick galt die Verberie, die von einem ummauerten Park von ungefähr zwanzig Morgen umgeben war, als der bedeutendste Besitz der Gegend. Das Haus des verstorbenen Séchard diente mit seinen Ökonomiegebäuden nur noch für die Ausbeutung von etwa zwanzig Morgen Weinland, die er außer fünf Meiereien mit einem Ertrage von etwa sechstausend Franken und zehn Morgen Weideland auf der andern Seite des Wasserlaufs, dem Park der Verberie gegenüber, hinterlassen hatte; Frau Séchard zählte darauf, dieses Weideland im nächsten Jahr in den Garten mit einzubeziehen. Schon gab man im Orte der Verberie den Namen eines Schlosses, und Eva Séchard nannte man Frau von Marsac. Lucien hatte, als er seine Eitelkeit befriedigen wollte, nur die Land- und Weinbauern nachgeahmt. Courtois, der Besitzer einer Mühle, die einige Büchsenschüsse weit von den Wiesen der Verberie malerisch gelegen war, stand, wie man sagte, mit Frau Séchard wegen dieser Mühle in Unterhandlungen. Diese wahrscheinliche Erwerbung mußte der Verberie vollends das Äußere eines erstklassigen Landguts im Bezirk geben. Frau Séchard, die viel Gutes tat, und zwar mit ebensoviel Unterscheidungsgabe wie Größe, wurde ebensosehr geachtet wie geliebt. Ihre Schönheit, die sich prachtvoll entwickelt hatte, erreichte eben damals ihren Höhepunkt. Obgleich sie schon sechsundzwanzig Jahre alt war, hatte sie die Frische ihrer Jugend bewahrt, da sie die Ruhe und den Überfluß genoß, wie das Landleben sie bietet. In ihren Gatten war sie immer noch verliebt, und sie achtete in ihm den Mann von Talent, der bescheiden genug war, um auf den Lärm des Ruhms zu verzichten; um sie zu schildern, genügt es vielleicht, wenn wir sagen, daß zeit ihres Lebens ihr Herz keinen Schlag getan hatte, der nicht ihren Kindern oder ihrem Gatten gegolten hätte. Der Zoll, den diese Familie dem Unglück zahlte, man errät es schon, bestand in dem tiefen Kummer über Luciens Leben, in dem Eva Séchard Geheimnisse ahnte, die sie um so mehr fürchtete, als Lucien während seines letzten Besuches jede Frage seiner Schwester kurz abgeschnitten hatte, indem er ihr sagte, die Ehrgeizigen seien über ihre Mittel und Wege nur sich selber Rechenschaft schuldig. In sechs Jahren hatte Lucien seine Schwester dreimal gesehen, und er hatte ihr nicht mehr als sechs Briefe geschrieben. Seinen ersten Besuch in der Verberie hatte er gelegentlich des Todes seiner Mutter gemacht; der letzte hatte die Bitte um den Dienst jener für seine Politik so notwendigen Lüge zum Zweck gehabt. Diese Bitte wurde unter Herrn und Frau Séchard und Lucien zum Gegenstand einer ziemlich ernsten Szene, die im Herzen dieses ruhigen und edlen Daseins grausame Zweifel zurückließ.
    Das Innere des Hauses, das ebensosehr verwandelt war wie das Äußere, machte, ohne

Weitere Kostenlose Bücher