Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
wiederholte Corentin, als er die Überraschung wahrnahm, die Frau Séchards schönes Gesicht zum Ausdruck brachte, »es handelt sich nur um ein natürliches Kind. Die Rechte eines natürlichen Kindes sind nicht die eines ehelichen. Dieses Kind ist im tiefsten Elend; es hat Anspruch auf eine Summe, die sich nach der Höhe der Erbschaft richtet. Die Millionen, die Ihr Herr Vater hinterlassen hat ...«
    Bei diesem Wort ›Millionen‹ erhob sich im Salon ein einmütiger Schrei. Jetzt prüfte Derville nicht mehr die Stiche.
    »Der Vater Séchard Millionen? ...« sagte der dicke Courtois. »Wer hat Ihnen das gesagt? Irgendein Bauer ...« »Herr,« sagte Cachan, »Sie gehören nicht zum Fiskus, und also kann man Ihnen sagen, wie es steht ...« »Seien Sie ganz ruhig,« erwiderte Corentin, »ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, daß ich kein Fiskalbeamter bin.« Cachan, der allen einen Wink gegeben hatte, daß man schweigen sollte, hatte unwillkürlich eine zufriedene Geste gemacht. »Und wäre es auch nur eine Million,« fuhr Corentin fort, »so wäre der Anteil des natürlichen Sohnes noch eine schöne Summe. Wir kommen nicht, um einen Prozeß zu beginnen, wir kommen vielmehr, um Ihnen vorzuschlagen, daß Sie uns hunderttausend Franken geben, und dann fahren wir nach Hause ...« »Hunderttausend Franken!« rief Cachan, indem er Corentin unterbrach; »aber der Vater Séchard hat zwanzig Morgen Weinland, fünf kleine Meierhöfe, zehn Morgen Wiesen und im übrigen keinen Heller hinterlassen!«
    »Um nichts in der Welt«, rief David Séchard, indem er dazwischen trat, »möchte ich eine Lüge sagen, Herr Cachan, und noch weniger in Gelddingen als in andern ...« Er wandte sich zu Derville und Corentin: »Mein Vater hat uns außer den liegenden Gütern ...« Courtois und Cachan mochten Séchard noch so sehr winken, er fuhr fort: »... dreihunderttausend Franken hinterlassen, so daß die Hinterlassenschaft sich auf etwa fünfmalhunderttausend Franken belauft.« »Herr Cachan,« sagte Eva Séchard, »welchen Anteil gibt das Gesetz dem natürlichen Sohn?« »Gnädige Frau,« sagte Corentin, »wir sind keine Türken, wir bitten Sie nur, uns vor diesen Herren zu beschwören, daß Sie aus der Erbschaft Ihres Schwiegervaters nicht mehr als hunderttausend Taler in bar erhalten haben, und wir werden uns verständigen.«
    »Geben Sie zunächst Ihr Ehrenwort,« sagte der ehemalige Anwalt aus Angoulême zu Derville, »daß sie Anwalt sind.« »Hier ist mein Paß,« erwiderte Derville, indem er Cachan ein viermal gefaltetes Papier hinreichte; »und der Herr hier ist nicht, wie Sie glauben könnten, ein Generalinspektor des Fiskus; beruhigen Sie sich. Wir hatten nur ein schwerwiegendes Interesse daran, die Wahrheit über den Nachlaß Séchards zu erfahren, und wir wissen sie nun ...«
    Derville nahm Frau Eva bei der Hand und führte sie sehr höflich m den Hintergrund des Salons. »Gnädige Frau,« sagte er mit leiser Stimme, »wenn nicht die Ehre und die Zukunft des Hauses Grandlieu an dieser Frage interessiert wären, hätte ich mich nicht zu dieser Kriegslist hergegeben, die dieser dekorierte Herr erfunden hat; aber Sie werden ihn entschuldigen, es handelt sich darum, die Lüge aufzudecken, mit deren Hilfe Ihr Herr Bruder diese hohe Familie hintergangen hat. Hüten Sie sich jetzt, etwa den Glauben zu erwecken, als hätten Sie Ihrem Herrn Bruder zwölfhunderttausend Franken gegeben, um die Ländereien von Rubempré zu kaufen ...« »Zwölfmalhunderttausend Franken!« rief Frau Séchard erbleichend. »Und woher hat er sie genommen, der Unglückliche?« »Ach« sagte Derville, »ich fürchte, die Quelle dieses Vermögens wird recht unsauber sein.«
    Eva hatte Tränen in den Augen, die ihre Nachbarn bemerkten. »Wir haben Ihnen vielleicht einen großen Dienst geleistet,« sagte Derville zu ihr, »indem wir Sie hinderten, sich an einer Lüge zu beteiligen, deren Folgen sehr gefährlich sein könnten.«
    Derville verließ Frau Séchard, die bleich und mit Tränen auf den Wangen dasaß, und grüßte die Gesellschaft. »Nach Mansle!« sagte Corentin zu dem Burschen, der den Wagen fuhr.
    Die Post von Bordeaux nach Paris, die nachts durchkam, hatte einen freien Platz: Derville bat Corentin, ihm zu erlauben, daß er ihn benutzte, indem er seine Geschäfte vorwandte; aber im Grunde mißtraute er seinem Reisegefährten, dessen diplomatische Geschicklichkeit und Kaltblütigkeit ihm gewohnheitsmäßig zu sein schienen. Corentin mußte drei Tage in Mansle

Weitere Kostenlose Bücher