Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)
Luxus zu zeigen, einen behaglichen Eindruck. Man wird es nach einem flüchtigen Blick auf den Salon, wo sich in diesem Augenblick die Gesellschaft befand, beurteilen können. Ein hübscher Teppich aus Aubusson, Vorhänge aus grauem Baumwollköper, besetzt mit grünseidenen Borten, Malereien mit Motiven aus den Wäldern von Spaa, eine Möbelgarnitur aus geschnitztem Mahagoni, bezogen mit grauem Kaschmir, auf dem grüne Posamenten saßen, und Blumentische, die trotz der Jahreszeit voller Blumen standen, ergaben einen dem Auge wohltuenden Gesamteindruck. Die grünseidenen Fenstergardinen, die Kaminverzierung und die Spiegelrahmen waren frei von jenem falschen Geschmack, der in der Provinz alles verdirbt; und schließlich gaben die geringsten Einzelheiten in ihrer Eleganz und Sauberkeit der Seele und dem Blick Ruhe, und zwar durch jene Poesie, die eine liebende und geistvolle Frau in ihren Haushalt einführen kann und soll.
Frau Séchard, die noch ihres Vaters wegen Trauerkleidung trug, war am Kamin mit einer Stickereiarbeit beschäftigt, wobei Frau Kolb, die Haushälterin, auf die sie sich in allen Einzelheiten der Verwaltung des Hauses verließ, ihr half. In dem Augenblick, in dem der Wagen die ersten Häuser von Marsac erreichte, gesellte sich zu dem gewohnten Kreis der Verberie noch Courtois, der Müller, der seine Frau verloren hatte und sich vom Geschäft zurückziehen wollte; er hoffte, seinen Besitz, auf den Eva Wert zu legen schien – und Courtois wußte warum –, gut zu verkaufen.
»Da hält ein Wagen!« sagte Courtois, als er an der Tür das Geräusch von Rädern hörte; »und nach dem Eisen kann man annehmen, daß er aus der Gegend ist ...« »Es wird ohne Zweifel Postel mit seiner Frau sein, die uns aufsuchen;« sagte der Arzt. »Nein,« sagte Courtois, »der Wagen kommt von Mansle her.« »Gnädige Frau,« sagte Kolb, der große und dicke Elsässer, den wir kennen (siehe ›Verlorene Illusionen‹), »hier ist ain Anwalt aus Baris, der den Herrn ßu sprechen winscht.«
»Ein Anwalt? ...« rief Séchard. »Das Wort verursacht mir Bauchweh.« »Danke,« sagte der Bürgermeister von Marsac, der Cachan hieß und zwanzig Jahre lang in Angoulême Anwalt gewesen war; er hatte ehedem den Auftrag gehabt, Séchard zu verfolgen. »Mein armer David wird sich nicht ändern, er wird immer zerstreut sein!« sagte Eva lächelnd. »Ein Pariser Anwalt?« sagte Courtois. »So haben Sie in Paris Geschäfte?« »Nein,« sagte Eva. »Sie haben einen Bruder dort,« bemerkte Courtois. »Wenn es sich nur nicht um den Nachlaß des Vaters Séchard handelt,« sagte Cachan. »Der gute Mann hat verdächtige Geschichten gemacht! ...«
Als Corentin und Derville eintraten, baten sie, nachdem sie die Gesellschaft begrüßt und ihre Namen genannt hatten, Frau Séchard und ihren Gatten unter vier Augen sprechen zu dürfen. »Gern,« sagte Séchard; »aber handelt es sich um Geschäfte?« »Einzig um den Nachlaß Ihres Herrn Vaters,« erwiderte Corentin. »So erlauben Sie, daß der Herr Bürgermeister, ein ehemaliger Anwalt von Angoulême, der Unterredung beiwohnt,« »Sie sind Herr Derville? ...« sagte Cachan, indem er Corentin ansah. »Nein, das ist der Herr hier,« erwiderte Corentin, indem er auf den Anwalt zeigte, der grüßte.
»Aber,« sagte Séchard, »wir sind in der Familie, wir haben vor unsern Nachbarn kein Geheimnis, wir brauchen nicht erst in mein Arbeitszimmer zu gehen, dort ist nicht geheizt ... Unser Leben liegt vor aller Augen ...« »Das Ihres Herrn Vaters«, sagte Corentin, »barg einige Geheimnisse, die bekanntzumachen Ihnen vielleicht nicht angenehm wäre.« »Ist es denn etwas, wovor wir erröten müßten? ...« fragte Eva beängstigt. »O nein, es ist eine Jugendsünde,« sagte Corentin, indem er mit größter Kaltblütigkeit eine seiner tausend Mausefallen aufstellte. »Ihr Herr Vater hat Ihnen einen älteren Bruder gegeben ...« »O, der alte Drucker!« rief Courtois. »Er liebte Sie nicht gerade, Herr Séchard, und das hat er Ihnen aufgespart, der Duckmäuser! ... Ah, ich verstehe jetzt, was er meinte, als er zu mir sagte: ›Sie werden schöne Geschichten erleben, wenn ich begraben bin!‹« »Oh, beruhigen Sie sich,« sagte Corentin zu Séchard, indem er Eva mit einem Seitenblick studierte. »Einen Bruder!« rief der Arzt; »aber da wird ja der Nachlaß geteilt!«
Derville tat, als besähe er sich die schönen Stiche, die auf den Wandfüllungen des Salons hingen.
»Beruhigen Sie sich, gnädige Frau,«
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