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Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition)

Titel: Glanz und Elend der Kurtisanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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geschrieben ... Dienstag morgen reist sie ab, aber ich werde in Fontainebleau, auf ihrem Wege nach Italien, eine Unterredung mit ihr haben.« »Ah! was wollt ihr denn für Frauen, ihr ...? – Schindelbretter! ...« rief die arme Esther. »Sag doch, wenn ich sieben oder acht Millionen hätte, würdest du mich da nicht heiraten?« »Kind! ich wollte dir sagen, daß ich, wenn für mich alles zu Ende ist, keine andere Frau möchte als dich ...«
    Esther senkte den Kopf, um ihre plötzliche Blässe und die Tränen, die sie sich abwischte, nicht zu zeigen. »Du liebst mich? ...« sagte sie, indem sie Lucien mit tiefem Schmerz ansah. »Nun, das ist mein Segen. Stelle dich nicht bloß, geh durch die Geheimtür und tu, als kämst du aus dem Vorzimmer in den Salon. Küsse mich auf die Stirn,« sagte sie. Sie nahm Lucien, drückte ihn rasend an die Brust und sagte noch einmal: »Geh! ... Geh! ... Oder ich bleibe am Leben!«
    Als die Todgeweihte im Salon erschien, erhob sich ein Ruf der Bewunderung. In ihren ganz in die Unendlichkeit getauchten Augen verlor sich die Seele, wenn man sie ansah. Das bläuliche Schwarz ihres seinen Haares brachte die Kamelien zur Geltung. Kurz, alle Wirkungen, die dieses wundervolle Mädchen gesucht hatte, wurden erreicht. Sie hatte keine Rivalinnen. Sie erschien als der höchste Ausdruck des zügellosen Luxus, dessen Schöpfungen sie umgaben. Übrigens sprühte sie von Geist. Sie befehligte die Orgie mit der kühlen und ruhigen Kraft, die Habeneck im Konservatorium bei den Konzerten entfaltet, in denen die ersten Musiker Europas eine wahre Erhabenheit des Spiels erreichen, wenn sie Mozart oder Beethoven interpretieren. Aber mit Schrecken bemerkte sie, daß Nucingen wenig aß und nichts trank, während er den Herrn des Hauses spielte. Um Mitternacht war niemand mehr bei Vernunft. Man zerbrach die Gläser, damit sie niemals wieder gebraucht würden. Zwei bemalte chinesische Vorhänge waren zerrissen. Bixiou betrank sich zum zweitenmal in seinem Leben. Da niemand mehr stehen konnte und die Frauen auf den Diwans schliefen, konnten die Gäste den zuvor zwischen ihnen verabredeten Scherz nicht ausführen; sie hatten, in zwei Reihen geordnet, Leuchter in der Hand und das Buona Sera aus dem ›Barbier von Sevilla‹ singend, Esther und Nucingen ins Schlafzimmer führen wollen. Nucingen gab Esther allein die Hand. Bixiou bemerkte sie, obwohl er berauscht war; und er hatte noch die Kraft, wie Rivarol aus Anlaß der letzten Heirat des Herzogs von Richelieu, zu sagen: »Man sollte den Polizeipräfekten benachrichtigen ... hier geschieht ein schlimmer Streich ...« Der Spötter glaubte zu spotten: er war ein Prophet.
    Herr von Nucingen zeigte sich erst Montag mittag wieder zu Hause. Um ein Uhr kam sein Wechselmakler und sagte ihm, daß Fräulein Esther van Bogseck die Staatsschuldscheine über dreißigtausend Franken Rente schon am Freitag wieder verkauft und den Erlös erhoben hatte. »Aber, Herr Baron,« sagte er, »der erste Schreiber des Anwalts Derville kam in dem Augenblick zu mir, als ich von dieser Schiebung sprach; und als er die wirklichen Namen des Fräuleins Esther gesehen hatte, sagte er mir, sie erbe ein Vermögen von sieben Millionen.« »Pah!« »Ja, sie soll die einzige Erbin des alten Diskontwucherers Gobseck sein ... Derville will die Sachlage untersuchen. Wenn die Mutter Ihrer Geliebten die schöne Holländerin ist, so erbt sie ...« »Das wais; ich,« sagte der Bankier, »sie hat mir ihr Leben erßählt ... Ich werde Terfille ain Wort schreiben ...«
    Der Baron setzte sich an seinen Schreibtisch, schrieb Derville einen Brief und schickte ihn durch einen seiner Bedienten zu ihm. Dann ging er gegen drei Uhr, nach der Börse, zu Esther.
    »Die gnädige Frau hat verboten, sie zu wecken, unter welchem Vorwand es auch sei; sie ist zu Bett gegangen und schläft ...« »Ah, Teifel!« rief der Baron von Nucingen. »Eiroba, sie wirde nicht ärkerlich sein, wenn sie erfährt, daß sie sehr raich wird. Sie erpt sieben Millionen. Der alte Kobseck ist tot und hinterläßt sieben Millionen, und daine Herrin ist ainßige Erbin, denn ihre Mudder war die Nichte Kobsecks, der ibrikens ain Testament kemacht hat. Ich gönnte nicht wissen, daß ain Millionär wie er Esder im Eländ ließ ...« »Ah, schön, dann ist deine Regierung zu Ende, alter Gaukler!« sagte Europa, indem sie den Baron mit einer Frechheit ansah, die einer Molièreschen Zofe würdig gewesen wäre. »Hei, du alter elsässischer Rabe! ... Sie

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